Erdogan macht ernst: Türkische Behörde sperrt Twitter

Kurznachrichtendienst ist dem unter Druck stehenden Premier ein Dorn im Auge. Regierungskritiker nutzen ihn für Enthüllungen.

Der türkische Premierminister Erdogan kämpft mit Kritik.

Der türkische Premierminister Erdogan kämpft mit Kritik.

Foto: DADO RUVIC

Istanbul. Zehn Tage vor der Kommunalwahl in der Türkei hat die Telekommunikationsbehörde den Kurznachrichtendienst Twitter blockiert. Die Sperre des auch als Enthüllungsplattform genutzten Dienstes trat in der Nacht zu Freitag in Kraft — wenige Stunden, nachdem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Drohungen gegen soziale Medien nochmals drastisch verschärft hatte.

„Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen. Was dazu die internationale Gemeinschaft sagt, interessiert mich überhaupt nicht“, sagte Erdogan vor Anhängern. EU und Bundesregierung kritisierten das Vorgehen.

Auch Staatspräsident Abdullah Gül kritisierte die Twitter-Sperre — über Twitter. „Eine vollständige Schließung der Plattformen sozialer Medien kann nicht gebilligt werden“, schrieb er.

Die türkische Kommunalwahl am 30. März gilt als wichtiger Stimmungstest. Durch eine Reihe von Korruptionsvorwürfen in Bedrängnis gebracht, kämpft Erdogan derzeit um den Erhalt seiner Macht.

Regierungsgegner hatten Twitter immer wieder zur Organisation von Protesten genutzt. Zudem laden seit Wochen unbekannte Widersacher Erdogans belastende Telefonmitschnitte im Netz hoch, die Zugangslinks werden auch über Twitter verbreitet. Der Kurznachrichtendienst hat in der Türkei schätzungsweise rund zwölf Millionen Nutzer.

Die Türkei ist Kandidat für einen EU-Beitritt. „Das Verbot löst ernste Sorge aus und stellt die von der Türkei erklärte Unterstützung für europäische Werte und Normen infrage“, hieß es in einer Erklärung von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle zu der Twitter-Sperre. „Die Bürger müssen frei in ihrer Wahl der Kommunikationsmittel sein. Das schließt ganz offenkundig das Internet ein.“

Auch die Bundesregierung kritisierte die Blockade. Sie entspreche nicht dem, „was wir unter freier Kommunikation in Deutschland verstehen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin.

Twitter erklärte seinen Nutzern in der Türkei unterdessen, wie sie Tweets über SMS absetzen könnten. Viele umgehen so die Sperre. dpa

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