China richtet jährlich tausende Menschen hin

Genaue Zahlen gibt es nicht. Laut Schätzungen von Menschenrechtlern waren es 2010 bis zu 10.000.

Peking. Li Shubiao ist nur einer von vielen. Einer von mehreren tausend Menschen, die letztes Jahr in China hingerichtet wurden. Der 46-jährige Beamte aus der Millionenstadt Chenzhou war kein Mörder, sondern ein Spieler. Der Staat nahm dem kommunistischen Funktionär das Leben, weil er in großem Stil Geld veruntreut und das meiste davon in Casinos verprasst hatte.

Nur aus diesem Grund fand sich die Nachricht von Lis Hinrichtung in den Zeitungen — aus volkspädagogischen Gründen gewissermaßen. Normalerweise wird aus Todesurteilen in der Volksrepublik ein „Staatsgeheimnis“ gemacht. Zuverlässige Zahlen gibt es keine. Deshalb verzichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem neuen weltweiten Todesstrafen-Bericht darauf, für China auch nur eine annähernde Schätzung zu nennen.

Als sicher gilt jedoch, dass in der Volksrepublik auch 2010 wieder mehr Menschen hingerichtet wurden als im gesamten Rest der Welt. „Tausende“, sagt Amnesty nur. Nach Schätzungen von anderen Menschenrechtlern dürfte die Zahl der Exekutionen bei etwa 5000 gelegen haben. Einige gehen sogar von bis zu 10 000 aus. Im Vergleich dazu: In allen restlichen Ländern wurden mindestens 527 Todesurteile vollstreckt.

In der Bundesrepublik wurde die Todesstrafe bereits 1949 abgeschafft, 1987 auch in der DDR. Auch die meisten anderen Länder haben die Todesstrafe inzwischen aus dem Gesetz gestrichen oder wenden sie nicht mehr an, zuletzt Gabun und die Mongolei. Inzwischen sind es 139 von 192 Staaten. Amnesty sieht einen „eindeutigen Trend zu einer Welt ohne Todesstrafe“. Wenn da nur China nicht wäre.

Dabei hat die kommunistische Führung die Mehrheit der Chinesen wohl hinter sich. Weite Teile der Bevölkerung scheinen die Todesstrafe für Gewaltverbrechen oder Korruption zu unterstützen, auch wenn verlässliche Studien fehlen.

Es gibt aber auch Sorgen über Justizirrtümer, wie sie mehrfach aufgedeckt wurden. Das Justizsystem ist mangelhaft entwickelt. Oft werden Geständnisse durch Folter erzwungen. Angeklagte haben keine richtige Verteidigung.

Mit einem baldigen Hinrichtungsstopp rechnet niemand. Amnesty-Generalsekretärin Monika Lüke forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) trotzdem auf, bei seinem China-Besuch diese Woche das Thema zur Sprache zu bringen.

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