Chinesische Forscher rekonstruieren Gesang fossiler Heuschrecke

Bonn (dpa) - Was klingt wie eine Mischung aus quietschender Türangel und metallischem Hämmern ist der Minnegesang der Laubheuschrecke Archaboilus musicus, die vor 165 Millionen Jahren lebte.

Ein internationales Forscherteam um Jun-Jie Gu und Dong Ren von der Capital Normal University in Peking hat den Gesang anhand des Flügelbaus eines rund 165 Millionen Jahre alten Fossils rekonstruiert und die Forschungsergebnisse kürzlich in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften veröffentlicht.

Für einen Pop-Hit dürften die gleichförmigen Stakkatos, die die Männchen durch Reiben ihrer Flügel erzeugten, wohl kaum geeignet sein. Aber sie waren offenbar anziehend genug, um die Weibchen zu betören, sonst wären die Laubheuschrecken ausgestorben. Eine Kostprobe des Gesangs ist im Internet unter http://dpaq.de/sLF7w zu hören.

„Die Heuschrecken erzeugen den Klang, indem sie mit kleinen Zähnchen der einen Flügeldecke über eine harte Leiste des anderen Flügels streichen - das macht richtig Krach“, sagt Professor Jes Rust vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. Das funktioniere so ähnlich, als wenn man mit einem Plectrum eine Gitarrensaite anschlägt. Paarungswillige Heuschreckenmännchen machten sich auch heute noch auf diese Weise bemerkbar, doch hätten ihre „Hits“ einen viel größeren Klangumfang als die ihrer Vorfahren.

Allerdings sei das Repertoire des Archaboilus musicus alles andere als primitiv gewesen, sagt Rust. Der Klang sei deutlich komplizierter als ein einfaches Ratsch. Die Männchen hielten exakt die Tonhöhe eines Baritons. Dazu müssten die Zähnchen auf dem Flügel in einer gestaffelten Abfolge angeordnet sein. Weil es sich um eine eher tiefe Tonlage handele, müsse die Heuschreckenspezies seinerzeit wohl in einem lichten Wald gelebt haben, sagt Rust. Tiefe Töne seien weiter zu hören als höhere. „Die Männchen haben die Weibchen aus großer Entfernung angelockt.“ In einem Dschungel sei das unmöglich.

Forschungsergebnisse wie der britischen und amerikanischen Wissenschaftler um Jun-Jie Gu vervollständigten unsere Vorstellung von den Ökosystemen im Zeitalter des Jura, sagt Rust, der schon 1999 im Journal „Nature“ Resultate zur Stimmrekonstruktion einer 55 Millionen Jahre alten Heuschrecke vorstellte.

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