Ute Hansen berichtet über ihre Corona-Infektion „Es ist alles zu bürokratisch“

Willich · Ute Hansen und ihr Partner haben sich kürzlich mit Corona infiziert – wie so viele Menschen gerade. Was die Studentin bei Tests, Kontaktverfolgung und bis zur Quarantäne erlebte, lässt sie zweifeln, ob wir eine Chance gegen das Virus haben. Ein Protokoll.

 Ute Hansen, 27, ist Master-Studentin im Bereich Public Health und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Ute Hansen, 27, ist Master-Studentin im Bereich Public Health und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Foto: Ute Hansen

Willich An diesem Donnerstag, 11. November, war es so weit, der Selbsttest meines Partners zeigt ein positives Ergebnis an – was jetzt? Er hat leichte Erkältungssymptome und Kopfschmerzen und am Wochenende wollen wir uns mit Freunden treffen. Wir hängen uns also ans Telefon und versuchen vergeblich, den Hausarzt zu erreichen. Dann geht es ins Testzentrum. Hier erleben wir Szenen, die sich nach Vergangenheit anfühlen: genervte Menschen, die in zwei Schlangen warten. Nach über 30-minütiger Wartezeit dann die Ernüchterung. Hier werden erstmal nur Schnelltests gemacht, wenn die positiv sein sollten, folge der PCR-Test. Dann kommen die Ergebnisse: beide negativ.Wir bekommen schließlich bei einem Hausarzt einen PCR-Termin für meinen Partner. Immerhin. Er macht noch mal einen Selbsttest – wieder positiv. Bei uns herrscht zu diesem Zeitpunkt große Unsicherheit, wie wir uns verhalten sollen. Wir leben in einer gemeinsamen Wohnung. Kann ich mich noch vor einer Ansteckung schützen oder ist es zu spät? Aber ziehe ich zur Familie, trage ich es wahrscheinlich dahin. Wir informieren Freunde und die Arbeit, hängen einen Zettel für die Nachbarn in den Flur und überlegen, wo wir uns hätten anstecken können. Wie später klar wird, kommt eigentlich nur eine Geburtstagsfeier fünf Tage zuvor infrage, zwei Freunde sollten später auch positiv sein.Samstags habe ich Symptome und nun schlägt auch mein Selbsttest an. Gegen 12 Uhr ist das PCR-Ergebnis meines Partners da: Er hat Covid-19. Es ist Wochenende, ich kann nicht zum Arzt. Mir graut davor, aber um das Ergebnis zu verifizieren, muss ich ins Testzentrum. Auch diesmal ist der Schnelltest nach über einer Stunde Wartezeit negativ. Mein erster Gedanke: Das kann nicht sein. Einen PCR-Test darf ich nicht kostenlos machen, heißt es, weil ich erst als Kontaktperson gelte, wenn das Gesundheitsamt das schriftlich bestätigt. Ich kann nicht mehr. Zu Hause mache ich wieder einen Selbsttest – er leuchtet knallrot positiv. Ich bekomme Fieber, liege sonntags flach. Montags schleppe ich mich zum Hausarzt und bekomme meinen PCR-Test. Dann werde ich, um Medikamente zu besorgen, in die Apotheke geschickt. Am Dienstag kommt das PCR-Ergebnis: Ich bin positiv. Erst am späten Mittwochabend meldet sich dann auch das Gesundheitsamt bei mir.Bis dahin hätte ich nicht in Quarantäne gemusst, weil ich ja geimpft bin. Ich darf also offiziell rausgehen – als Partnerin einer infizierten Person, mit der ich in einem Bett schlafe. Ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist. Ich studiere Public Health im Master, bin wissenschaftliche Mitarbeiterin. Man weiß, dass das einzige, was man neben Impfungen tun kann, Kontaktbeschränkungen sind. Man kriegt gar nicht die Mittel in die Hand, um alles richtig zu machen, muss sehr viel Halbwissen und Eigeninitiative reinstecken. Ich habe mich relativ vernünftig verhalten – aber kann man das von jedem Menschen verlangen?Es frustriert: Wir machen das schon zwei Jahre, sind jedes Mal wieder überrascht, wenn die Zahlen steigen. Man hat das Gefühl, alles passiert zu spät, das Virus gewinnt immer. Es macht kein Wochenende und ist uns dann wieder einen weiteren Schritt voraus. Es ist alles zu bürokratisch und dauert viel zu lange, bis man die Sicherheit hat, positiv zu sein. Es dauert zu lange, bis man Kontaktpersonen informieren kann oder das Gesundheitsamt es tut. Zwischen Verdacht, Klarheit und Aussprechung der Quarantäne liegen viele Tage. Wir hatten quasi ein 2G-Plus-Zertifikat, es war Karnevalswochenende. Wenn wir Lust gehabt hätten, hätten wir feiern gehen und dadurch womöglich andere anstecken können. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie hoch die Dunkelziffer durch Menschen ist, die sich nicht so hartnäckig testen und nicht freiwillig isolieren.Sowohl bei mir als auch meinem Partner dauerte es fünf Tage nach Verdacht, Symptomen und positivem Selbsttest, bis eine Infektion bestätigt war und das Gesundheitsamt Quarantäne verordnete. Haben wir überhaupt eine Chance gegen diese Pandemie?