"" Elektromobilität: Bäcker aus Hilden weist Autobauern den Weg

Es geht auch ohne Fahrverbote: Der Hildener Bäcker Schüren setzt schon seit längerem auf Elektroantrieb anstatt auf Diesel bei seiner Firmenflotte - die passenden Fahrzeuge liefert kein Autohersteller, sondern eine Tochter der Deutschen Post.

"": Elektromobilität: Bäcker aus Hilden weist Autobauern den Weg
Foto: Schüren

Hilden. Auf die deutsche Autoindustrie ist Roland M. Schüren nicht gut zu sprechen. „Die Hersteller haben den Trend zur Elektromobilität total verschlafen“, sagt der Bäckermeister und Diplom-Betriebswirt.

Rund um Hilden in der Nähe von Düsseldorf betreibt der Bäcker 17 Filialen. Und die möchte Schüren möglichst umweltschonend beliefern können. Diesel-Transporter sind da keine gute Wahl. Wegen der hohen Stickoxid-Werte drohen in vielen Innenstädten, darunter Düsseldorf und Aachen, sogar Fahrverbote für Wagen mit Selbstzünder-Motoren.

Was die traditionellen Autohersteller und Umrüstungsbetriebe ihm an emissionsfreien Transportern anbieten konnten, gefiel Schüren nicht. „Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor viel zu teuer, zum Teil lag der Preis dreimal so hoch“, erläutert der Bäckermeister.

Not macht erfinderisch. Schüren gründete bei Facebook Anfang des Jahres eine E-Transporter Selbsthilfegruppe. Binnen kurzer Zeit meldeten sich zahlreiche Interessenten, darunter viele Handwerksbetriebe, aber auch Paketdienste, Getränkefirmen, Krankentransport-Unternehmen und auch die Stadt Düsseldorf. Alle haben das gleiche Problem: Sie müssen in Ballungsräumen sehr oft kurze Strecken zurücklegen und fürchten, in die Diesel-Falle zu tappen.

Bei einem „Konfigurationstreffen“ wurde aufgeschrieben, welche Anforderungen der E-Transporter mit dem Namen Bakery Vehicle 1 (BV 1) erfüllen muss: 100 bis 150 Kilometer Reichweite, bis zu 850 Kilogramm Zuladung und zwischen 40 000 und 60 000 Euro teuer. Die Wunschliste ging an rund 50 Nutzfahrzeug-Hersteller und -Umrüster — verbunden mit der Bitte, ein entsprechendes Angebot vorzulegen. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: Weder die deutschen noch die ausländischen Autobauer klassischer Prägung konnten konkurrenzfähige Offerten unterbreiten. Zum Teil gab es gar keine Antwort, zum Beispiel vom VW.

Fündig wurden Schüren und seine Mitstreiter trotzdem, und zwar in Aachen. Dort sitzt die Firma Streetscooter, eine Tochter der Deutschen Post. 2500 E-Transporter von Streetscooter sind für die Post schon auf der Straße, seit 2015 wird in Serie gefertigt. Die Idee zu dem visionären Vehikel stammt von einem Start-up, das 2010 der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) entsprungen ist, und 2014 von Post übernommen wurde.

Wegen der großen Nachfrage hat sich Streetscooter längst entschieden, nicht nur für den Mutterkonzern Autos zu bauen. Zu den Kunden zählt nun also auch die Selbsthilfegruppe von Bäcker Schüren. Rund 100 Betriebe gehören der Initiative inzwischen an. Sie haben Interesse an rund 200 Fahrzeugen.

Je nach Batteriegröße und Ausstattung werden die Transporter aus Aachen zwischen 39 000 und 73 500 Euro kosten. Davon können die Betriebe noch die Umweltprämie von 4000 Euro abziehen. Die ersten Fahrzeuge werden im ersten Quartal 2018 ausgeliefert. Neben Streetscooter hat Schüren jüngst noch einen zweiten Anbieter gefunden, der einen elektrischen Kastenwagen fertigen wird. Es handelt sich um die Firma Voltia mit Sitz in Bratislava (Slowakei). Geplant ist, dass Voltia die E-Version des Citroën Jumper zum BV1 umbauen wird.

Während Umrüster wie Voltia den traditionellen Autobauern keine Bauchschmerzen bereiten, sieht das bei Streetscooter ganz anders aus. Der Markt für batteriebetriebene Nutzfahrzeuge in der Klasse 2,8 bis 3,5 Tonnen dürfte in den nächsten Jahren geradezu explodieren. Vor allem für den Transportverkehr in den Städten dürfte es zu den Elektrofahrzeugen keine ernsthafte Alternative geben. Da es im Bestand so gut wie keine E-Autos gibt, ergibt sich ein millionenfacher Bedarf.

Angesichts dieser Aussichten verfolgt Streetscooter ehrgeizige Pläne. Die Jahresproduktion soll auf 20 000 Stück hochgefahren werden, weitere Fabriken sind in Planung. Einer Karriere der Post als Autokonzern scheint nichts im Weg zu stehen.

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