Wo sind die Grenzen der Untreue?

Wirtschaftskriminalität: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verlangt eine konkrete Ermittlung des Schadens.

Karlsruhe. Die Affäre um riskante Immobilienfonds und Kreditgeschäfte der damals landeseigenen Bankgesellschaft Berlin erschütterte die Hauptstadt - und mündete in den größten deutschen Wirtschaftsprozess der Nachkriegszeit. Neun Jahre ist das her. Schon schien sich der Mantel des Vergessens auszubreiten. Doch nun hat ein unerwarteter Paukenschlag aus Karlsruhe deutlich gemacht, dass die juristische Aufarbeitung noch nicht beendet ist.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Verurteilung des früheren CDU-Politikers und Bankmanagers Klaus Lan-dowsky (68) sowie mehrerer anderer Bankmanager auf (Az. 2 BvR 2559/08). Sie dürfen nun in einer Neuverhandlung vor dem Berliner Landgericht auf Freispruch hoffen.

In ihrem Beschluss beanstanden die Verfassungsrichter, dass ihre Kollegen am Berliner Landgericht keine wirtschaftlich nachvollziehbare Schadensfeststellung vorgenommen hätten. Karlsruhe verlangt ein Mehr an Nachweisen - eine Forderung, die jetzt auch für andere Untreue-Verfahren gegen Manager verbindlich wird.

Von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann bis zum CDU-Politiker Manfred Kanther - die Liste derer, die bereits irgendwann wegen des Verdachts auf Untreue vor Gericht mussten, ist lang und prominent besetzt. Anderen, wie Altkanzler Helmut Kohl (CDU), gelang es, eine Einstellung der Ermittlungen gegen zum Teil erhebliche Geldzahlungen zu erreichen.

Untreue ist ein zentrales Delikt der Wirtschaftskriminalität. Nach der komplizierten Regelung können Täter bestraft werden, die eine Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens haben, diese Pflicht aber schuldhaft verletzen und dadurch einen Vermögensschaden verursachen.

Dabei, so das Bundesverfassungsgericht, handelt es sich bei der Untreue um eine "sehr weit gefasste und verhältnismäßig unscharfe Strafvorschrift". Mit der jüngsten Entscheidung versuchen die Richter, die Grenzen der Untreue genauer zu fassen - was allerdings die Strafverfolgung erschweren könnte. Die Richter verlangen, dass künftig der entstandene Schaden konkreter ermittelt wird.

Der Beschluss des Zweiten Senats betrifft die Rechtsprechung zu Gefährdungsschäden: Demnach kann bereits die Vergabe eines ungenügend gesicherten Kredits aufgrund des Risikos eine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" darstellen - und somit für eine Verurteilung ausreichen. Diese Schäden müssten jedoch "in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise" festgestellt werden.

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