Analyse Wo die Schwachstellen der Wirtschaft beim Thema Menschenrechte sind

Düsseldorf · Eine Studie stellt den 20 größten Unternehmen kein gutes Zeugnis beim Thema Menschenrechte aus. Gefordert wird ein Lieferkettengesetz.

 Siemens erreichte in der Studie bei den Menschenrechtsindikatoren die höchste Punktzahl der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen.

Siemens erreichte in der Studie bei den Menschenrechtsindikatoren die höchste Punktzahl der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Brennende Fabriken, Kinderarbeit, Umweltzerstörung: Immer wieder stellt sich die Frage nach der Verantwortung deutscher Firmen für Menschenrechtsverletzungen in aller Welt. Auch kritischwe Konsumenten verlangen Antworten. Bis zum nächsten Jahr sollen nach dem Willen der Bundesregierung mindestens 50 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern über Richtlinien, Strategien und Prozesse verfügen, um bei sich menschenrechtliche Risiken nicht nur auszumachen, sondern auch zu mindern. Eine am Montag veröffentlichte Studie nährt Zweifel, ob dieses Ziel erreicht wird.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Business & Human Rights Recource Centre und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben die 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen einem Test unterzogen, der laut Studie der Frage, ob die Firmen das Ziel der Bundesregierung erreichen werden, am nächsten kommt. Dabei wurden zwölf menschenrechtliche Kernindikatoren bewertet. Ein Punkt bedeutete, dass in den Firmen die grundlegenden Anforderungen dafür erfüllt sind, zwei Punkte, dass sie darüber hinausgehen.

Laut Analyse erreichte keines der 20 Unternehmen in jedem Bereich mindestens einen Punkt. Fast die Hälfte der der Unternehmen, darunter bekannte Namen wie Deutsche Post DHL, RWE und Deutsche Bank erzielten weniger als 40% der zu vergebenden 24 Punkte. Die höchste Punktzahl bekam Siemens (14,5 von 24). 90 Prozent der Unternehmen belegten nicht, wie und ob sie ihre Menschenrechtsrisiken ausreichend managen. Und nur drei Unternehmen (Bayer, Metro und Thyssenkrupp) verpflichten sich nach Angaben der Studie öffentlich dazu, im Schadensfall Abhilfe zu schaffen. Gerade die Hälfte der Firmen stellt sicher, dass auch Mitarbeiter von Lieferanten Zugang zu Beschwerdemechanismen haben.

Initiative fordert, Gesetz schon jetzt auf den Weg zu bringen

Für den Fall, dass die freiwillige Umsetzung der Menschenrechtsforderungen nicht den Erwartungen entspricht, sieht der aktuelle Koalitionsvertrag vor, dass die Bundesregierung Gesetzesmaßnahmen ergreift und sich für eine EU-weite Regelung einsetzt. Genau diese Gesetzesregelung verlangt ein Bündnis aus 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen schon jetzt.

Sieben Jahre nach der verheerenden Brandkatastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan, bei der 258 Menschen starben, ging das Bündnis im September in Berlin mit einer Petition an die Öffentlichkeit, in der gefordert wird, bis 2020 ein Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen. Damit wären Unternehmen verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen in ihrem Geschäftsbereich zu vermeiden. Durch die Studie sieht sich die Initiative bestätigt: „Freiwillig hält sich nicht ein Unternehmen vollständig an die Anforderungen der Vereinten Nationen. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis für den Industriestandort Deutschland, das wirft vor allem eine Frage auf: Worauf wartet die Bundesregierung?“, erklärte Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative.

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf den vor drei Jahren vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Noch laufe ein umfangreiches Monitoring, das bis 2020 überprüfe, ob die deutschen Firmen die im NAP beschriebenen Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht umsetzen. Andernfalls könnten „weitere Maßnahmen“ ergriffen werden, „die auch in einer gesetzlichen Regelung liegen können“.

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