Strategie gefordert Wissenschaftler halten nichts von Fahrverboten

Berlin · Mehr klotzen statt kleckern: Die Akademie Leopoldina fordert eine umfassende Strategie für eine nachhaltige Verkehrswende.

 Forscher wünschen sich eine andere Debatte, denn nach ihren Erkenntnissen ist Feinstaub deutlich schädlicher für die Gesundheit als Stickstoffdioxid.

Forscher wünschen sich eine andere Debatte, denn nach ihren Erkenntnissen ist Feinstaub deutlich schädlicher für die Gesundheit als Stickstoffdioxid.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die Gegner von Diesel-Fahrverboten haben Unterstützung  von Wissenschaftlern der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina bekommen. Derart kleinräumige Maßnahmen brächten „keine wesentliche Entlastung“ für die Umwelt und seien auch „gesundheitlich wenig sinnvoll“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Notwendig seien vielmehr eine nachhaltige Verkehrswende und eine bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung.

Die Aufregung war groß, als sich im Januar mehr als 100 Lungenärzte zu Wort meldeten, um die Gesundheitsgefahren durch Feinstaub und Stickoxide sowie den Nutzen der Grenzwerte in Zweifel zu ziehen. So groß, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließlich die Nationale Wissenschaftsakademie um eine fundierte Stellungnahme bat. Nun liegt die Expertise vor. Und sie unterscheidet sich deutlich von der Lesart der Fachmediziner.

„Stickstoffoxide können die Symptome von Lungenerkrankungen wie Asthma verschlimmern und tragen zur Bildung von Feinstaub und Ozon bei“, heißt es darin. Und weiter: „Feinstäube können unter anderem Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Lungenkrebs verursachen.“ Auch die Grenzwerte für Stickoxid, die die Grundlage für gerichtlich angeordnete Diesel-Fahrverbote in vielen Innenstädten bilden, halten die Experten nicht für überzogen. Zugleich weisen die Forscher allerdings darauf hin, dass „eine exakte Grenzziehung zwischen gefährlich und ungefährlich“ weder für Stickstoffdioxid noch für Feinstaub möglich sei. Demnach könnten also auch schon geringere Dosen nachteilig für die Gesundheit sein.

Für Stickstoffdioxid gilt im Freien ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In Produktionsbetrieben sind sogar 950 Mikrogramm erlaubt, was aber kein Widerspruch sei, wie die Wissenschaftler  vermerken. Denn letzterer beziehe sich nur auf gesunde Erwachsene. Dagegen würden für den deutlich niedrigeren Wert alle Bevölkerungsgruppen berücksichtigt.

Dass die Wissenschaftler von Fahrverboten kaum etwas halten, hat nicht nur mit den damit verbundenen  Verkehrsverlagerungen zu tun, die das Umweltproblem nicht wirklich lösen. Vielmehr wünschen sich die Forscher eine andere Debatte, denn nach ihren Erkenntnissen ist Feinstaub deutlich schädlicher für die Gesundheit als Stickstoffdioxid.

Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein. Er ist aber auch menschengemacht. Zum Beispiel durch Heizwerke, Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und die Tierhaltung. Im Straßenverkehr gelangt Feinstaub nicht nur aus Diesel-Motoren in die Umwelt, sondern auch durch Bremsen- und Reifenabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes auf der Straßenoberfläche. Hier sind die je nach Partikelgröße festgelegten Grenzwerte aus Sicht der Forscher jedoch weniger streng als bei Stickstoffdioxid.

Zugleich wird ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gefordert. Und auch höhere Kraftstoffsteuern seien das „Mittel der Wahl“, um die Fahrleistung zu reduzieren und damit einen „Beitrag zur Erreichung der Klimaziele“ zu leisten.

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