Automatisch aussortiert Wie Amazon seine Mitarbeiter automatisch kontrolliert und entlässt

Wer bei Amazon entlassen werden soll, dass entscheidet ein automatisiertes System. Ist ein Mitarbeiter nicht produktiv genug, wird eine Verwarnung oder gar die Kündigung generiert. Der Vorgesetzte muss nur noch unterschreiben.

 Amazon setzt auf Produktivität seiner Mitarbeiter. Ein automatisches System sortiert die „Unproduktiven“ aus.

Amazon setzt auf Produktivität seiner Mitarbeiter. Ein automatisches System sortiert die „Unproduktiven“ aus.

Foto: dpa/Paul Sakuma

In den riesigen Logistikzentrum von Amazon werden Bestellungen nachverfolgt, verpackt sortiert und verschickt. Soweit wie möglich ist alles automatisiert. Das auf Effizienz getrimmte System des Unternehmen macht selbst bei Entlassungen der Mitarbeiter nicht halt.

So werden unproduktive Paket-Packer durch ein automatisiertes Verfahren gekündigt, wenn sie festgesetzte Ziele nicht erreichen, berichtet „The Verge“. Demnach seien zwischen August 2017 und September 2018 rund 300 Mitarbeiter in einem Logistikzentrum in Baltimore/USA wegen Ineffizienz auf diese Weise gekündigt worden. Entsprechende Dokumente liegen dem Mediennetzwerk vor.

Amazon beschäftigt dort laut „The Verge“ etwa 2500 Vollzeitbeschäftigte, was bedeutet, dass das Unternehmen ungefähr 10 Prozent seiner Mitarbeiter pro Jahr wegen unproduktivem Arbeiten entlässt.

Die Dokumente sollen belegen, dass Amazon die Produktivitätsraten der einzelnen Mitarbeiter automatisch erfasst und Verwarnungen oder Kündigungen in Bezug auf Qualität oder Produktivität generiert, wenn die gesetzten Ziele nicht erreicht würden. Arbeitspausen werden ebenso registriert. Wird das Scannen von Paketen zu lange unterbrochen, so erfolgt eine Warnung.

Amazon veröffentlichte die Dokumente im Rahmen eines Arbeitskonfliktes. Ein entlassener Mitarbeiter hatte Beschwerde gegen seine Kündigung eingelegt, die er für unzulässig hielt, da er sich nicht fehlerhaft verhalten habe. Amazon nannte hingegen die mangelnde Produktivität als Entlassungsgrund an und legte die Dokumente vor, die beweisen sollen, dass es gängige Praxis von Amazon sei, Arbeitnehmer wegen nicht Erreichen der Produktivitätszieles zu entlassen. Das Unternehmen reichte eine Kündigungsliste mit mehr als 900 Einträgen ein. Alle Angestellten auf der Liste wurden wegen „Produktivität“ oder wegen einer längeren Dauer von „Ineffizienzproblemen“ entlassen.

In den Schriftstücken sei auch von den strengen Standards von Amazon die Rede. Das Unternehmen habe eine „proprietäre Produktivitätskennzahl“ entwickelt. Diese Ziele seien objektiv festgelegt und basieren auf Messgrößen wie Kundennachfrage und Standort, heißt es seitens Amazon.

Kündigungen angeblich gesunken

Das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ berichtete ebenfalls über diese Praxis. Auf Nachfrage des Magazins äußerte sich Amazon zuerst nicht. Erst nachdem der Artikel erschienen war, gab Amazon eine Erklärung ab. Darin heißt es, dass durch das vollautomatisierte System die Zahl der Kündigungen angeblich gesunken seien. Im Falle einer automatisierten Kündigung müsse letztendlich ein Vorgesetzter damit einverstanden sein. Sei dies der Fall, so werde die Kündigung an den betroffenen Mitarbeiter weitergeleitet. Ein Mitarbeiter könne auch Einspruch erheben. Und bevor ein Mitarbeiter entlassen werde, würde er vorher Schulungen erhalten, um sich zu verbessern.

Amazon verweist zudem darauf hin, dass das „Unternehmen „wettbewerbsfähige Löhne“ zahle, die am oberen Ende dessen liegen, was in vergleichbaren Jobs bezahlt werde. „Es sei ihre höchste Priorität, den Mitarbeitern ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu bieten.“

„Business Insider berichtete indes über Arbeitsbedingungen bei dem Versandhändler, die alles andere als angenehm sind. Der Druck auf die Mitarbeiter sei enorm. Ehemalige Mitarbeiter schildern „brutale“ Arbeitsbedingungen. Ende 2018 gingen tausende Amazon-Arbeiter in Europa auf die Straße, um gegen die schlechten Bedingungen zu protestieren. Ob das automatisierte System der Produktivitätserfassung für die Arbeitsbedingungen zuträglich ist, ist fraglich. Der Faktor Mensch wird dabei wohl weniger berücksichtigt. Der Slogan der Proteste „Wir sind keine Roboter“ lässt auf jeden Fall andere Schlüsse zu.

(dw)
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