Wenn das Handy zur Fahrkarte wird

Die Bahn will 2011 Zugfahren ohne Papierticket für alle Kunden möglich machen. Bei Airlines ist dies bereits Alltag.

Berlin. Das Handy einfach vor der Abfahrt an einen Sensor halten und einsteigen - Bahnfahren ohne die herkömmliche Zugfahrkarte. Geht es nach den Vorstellungen von Konzernchef Rüdiger Grube soll dies schon ab kommendem Jahr für die täglich fünf Millionen Bahnkunden möglich sein. Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air Berlin haben schon längst das Mobilfunktelefon zum Ticketbuchen und Einchecken entdeckt. Das Reisen soll damit weiter erleichtert werden.

Mit den SB-Angeboten wird der Kunde aber auch mehr eingespannt. Die Konzerne sparen Personal und Kosten, die Kunden oft nur vermeintlich Zeit. Bei Problemen landen sie nicht selten in den Warteschleifen irgendwelcher Hotlines. Verbraucherschützer und Gewerkschaften sehen die Entwicklung mit Sorge. "Für den Kunden bedeutet der SB-Service, er übernimmt Funktionen, für die er keine ökonomischen Vorteile erhält", heißt es bei der Gewerkschaft Verdi.

Nach dem Reisehandy-Konzept der Bahn soll künftig ein spezielles Programm die besten Verbindungen für die geplante Reise heraussuchen und buchen. Das Ticket wird dann mit Bahnsteignummer und Zuginformationen aufs Handy geschickt. Vor Reiseantritt wird dieses an ein spezielles Lesegerät, den elektronischen Anmeldepunkt (Touchpoint), gehalten.

Auch das Umsteigen und der Wechsel zu S-Bahn oder Bus soll problemlos funktionieren. Und bei Fahrscheinkontrollen wird das Handy einfach an ein Gerät beim Schaffner gehalten. Seit zwei Jahren probt die Bahn dieses Konzept in Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und NRW. Jetzt sucht sie noch Partner bei den regionalen Verkehrsanbietern.

Die Schließung weiterer Schalter und den Abbau von Personal habe dieses Konzept nicht zur Folge, versichert der Konzern. Die Zahl der 400 Reisezentren und 3100 Bahnagenturen werde konstant bleiben. Auch ältere Menschen oder Nicht-Handy-Besitzer müssen nicht fürchten, auf der Strecke zu bleiben. "Das ist erstmal ein Parallel-angebot für technikaffine Kunden", sagt der Bahnsprecher. Fahrkartenschalter würden nicht so schnell verschwinden. Ohnehin will die Bahn bis zum kommenden Jahr die Aufstellung von bundesweit 7000 Fahrkarten-Automaten, die schneller und leichter zu bedienen sind, abgeschlossen haben.

Bei der Lufthansa nutzt mittlerweile die Hälfte der 56Millionen Fluggäste im Jahr den Check-In am Automaten oder über das Internet. Bis 2012 sollen es gut drei Viertel der Passagiere sein. Internetfähige Handys können schon länger als elektronische Bordkarte genutzt werden.

An weltweit gut 600 Automaten an 65 Standorten können bzw. müssen sich Lufthansa-Passagiere mittlerweile selber einchecken. Die Airline begründet die vermehrte Aufstellung der Automaten mit dem immer geringeren Platz, der auf den Flughäfen zur Verfügung steht. Ein Abbau von Personal gehe damit nicht einher, heißt es.

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