Warum Telemedizin nicht schnell boomt

Behandlungen durch den Arzt sind jetzt ohne persönlichen Kontakt möglich. Trotzdem bleiben einige rechtliche Hindernisse.

Warum Telemedizin nicht schnell boomt
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Düsseldorf. Ärzte in Deutschland dürfen Patienten jetzt auch ohne vorherigen persönlichen Kontakt in der Praxis ausschließlich per Telefon, SMS, E-Mail oder Online-Chat behandeln. Der Ärztetag in Erfurt hat den Weg für die Telemedizin geöffnet. Aber was genau bedeutet das? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Bei der Telemedizin beurteilt der Arzt medizinische Befunde, Daten oder Bilder eines Patienten mit Hilfe digitaler Kommunikationswege. Patient und Arzt halten sich an unterschiedlichen Ort auf.

In vielen Fällen lassen sich für Patienten Wege und Wartezeiten sparen. Bei einfachen Krankheitsfällen ist eine Behandlung über Bildschirm und Telefon möglich. Auch bei der Nachsorge nach Operationen oder der Überwachung von chronisch Kranken etwa mit Herzschwäche ist die Telemedizin hilfreich.

Bislang waren Fernbehandlungen nur nach einer persönlichen Untersuchung erlaubt. Das gilt nicht mehr. Allerdings muss jeder Mediziner die ärztliche Sorgfalt bei Diagnostik, Beratung, Therapie und Dokumentation auch bei der Telemedizin gewährleisten. Die Landesärztekammern müssen ihre Berufsordnungen entsprechend anpassen. Bis das in ganz Deutschland der Fall ist, können laut Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, bis zu zwei Jahre vergehen.

Nein. Die neue Bundesregierung möchte den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten generell verbieten, weil sie der Meinung ist, nur so ließe sich das Geschäftsmodell klassischer Apotheken wirksam schützen. Dies wäre eine Bremse für die Telemedizin, weil viele Landbewohner, Ältere und Pflegebedürftige den Gang zur Apotheke ebenso mühsam finden wie den zum Arzt.

Nein. Nach erfolgreicher Ferndiagnose können Ärzte den Patienten nicht einfach krankschreiben. Die Arbeitsunfähigkeit kann wie bisher nur nach persönlicher Untersuchung attestiert werden. Alles andere hält die Bundesärztekammer für rechtlich problematisch.

Aus Sicht der Ärzteschaft leidet die Ausbreitung der Telemedizin an der mageren Vergütung. Die längst gültigen Sätze für Videosprechstunden mit Patienten, die schon länger in Therapie sind, gelten als kaum kostendeckend. Video-Sprechstunden für Kassenpatienten werden deshalb kaum angeboten. Die Ärzte werden nur dann in neue Technik investieren, wenn sich diese Investition auch rechnet.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sagte, die Möglichkeiten der Telemedizin müssten so genutzt werden, „dass die Patienten auch wirklich etwas davon haben“. Konkrete Festlegungen, unter welchen Bedingungen Arzthonorare erhöht werden können, gibt es von dem Verband aber noch nicht.

Die Ärztekammer räumt ein, dass kommerzielle Telemedizin-Portale wie Doktor Ed (siehe Kasten) Druck ausüben. Die Bereitschaft der Patienten, bei Bagatellerkrankungen die Hilfe solcher Internet-Ärzte in Anspruch zu nehmen, nimmt zu, obwohl die Leistungen privat bezahlt werden müssen. Mit Doctor on demand (Google) und MDLive (Microsoft) gibt es in den USA erfolgreiche Online-Arztpraxen, die finanzstarke IT-Konzerne im Rücken haben und auch in Europa Geld verdienen möchten. Dem stehen auf dem deutschen Gesundheitsmarkt allerdings zahlreiche Regulierungen entgegen, insbesondere bei der Abrechnung von Leistungen.

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