Warum Frauen weniger verdienen

Nur wenige schaffen den Sprung an die Spitze. Die Weichen werden schon mit der Berufswahl gestellt.

Nürnberg. Früher war der Arbeitsmarkt in Deutschland eindeutig geregelt: Die Männer brachten mit "richtigen" Berufen das Geld nach Hause, die Frauen verdienten etwas dazu. Spätestens wenn Kinder kamen, begann das Leben als Hausfrau. Das hat sich gewandelt: 64 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter arbeiten heute. Doch noch immer stellen sie den größten Teil der Niedrigverdiener und Teilzeitkräfte. Selbst die Aufstiegschancen jüngerer Frauen, die oft besser ausgebildet sind als junge Männer, sind eingeschränkt. Sogar bei gleicher Erfahrung im gleichen Beruf bei derselben Firma verdienen Frauen im Schnitt zwölf Prozent weniger.

"Schon bei den Einstiegslöhnen gibt es bei gleicher Qualifikation und gleichem Beruf Unterschiede. Diese werden im Laufe der Zeit größer", sagt Hermann Gartner vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Durchschnittlich verdienen Frauen in Deutschland derzeit 23 Prozent weniger als Männer. "Das hat damit zu tun, dass Frauen und Männer nicht das Gleiche tun. Es ist zwar oft gleichwertig, aber es wird ungleich bewertet", erklärt IAB-Fachfrau Juliane Achatz. Zudem legten Frauen gerade zur Familiengründung Pausen ein und gerieten dadurch bei der Karriere ins Hintertreffen.

Die Weichen auf dem Weg zu unterschiedlich dicken Lohntüten werden aber schon früher gestellt: Frauen ergreifen häufig Berufe, die schlecht entlohnt sind und wenige Aufstiegschancen haben. So sind sie im Pflegebereich, bei Erziehung und Unterricht sowie in der öffentlichen Verwaltung nahezu unter sich. Die Abneigung gegen technische oder naturwissenschaftliche Berufe zeigt sich auch bei der Wahl der Ausbildung. Ganz oben auf der Liste der Schulabgängerinnen: Verkäuferin, Bürokauffrau, Friseurin und Arzthelferin. Drei Viertel aller Mädchen lassen sich in nur 25 verschiedenen Berufen ausbilden.

Doch damit nehmen sich die Schülerinnen viele Chancen, denn der einmal erworbene Abschluss ist für das gesamte Berufsleben bestimmend. Unter Arbeitsmarktforschern gilt das als nationale Besonderheit: Ein Wechsel in perspektivträchtigere Jobs anderer Branchen gelingt meist nur Akademikerinnen - wenn überhaupt. Damit bleiben Frauen in frauentypischen Branchen "gefangen". Diese Konzentration hat Nach- und Vorteile: Während sie bei einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht so stark vom Abbau der Arbeitslosigkeit profitieren, da die neuen Jobs meist in der Industrie entstehen, sind sie in einer Krise seltener von Kurzarbeit und Entlassungen betroffen.

Frauen mit Hochschulabschluss unterscheiden sich zudem deutlich von Frauen mit niedrigerem Bildungsabschluss. "Bei hochqualifizierten Frauen, die sehr viel in ihre Ausbildung investiert haben, sind die Muster und Präferenzen anders", sagt Achatz. Sie arbeiten seltener Teilzeit und machen kürzere Familienpausen - wenn sie nicht ganz auf Kinder verzichten. Drei Viertel aller Frauen in Führungspositionen haben keinen minderjährigen Nachwuchs, bei den Männern sind es nur 58 Prozent.

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