VW steuert in Führungskrise

Wolfsburg (dpa) - Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch rückt laut einem „Spiegel“-Bericht völlig überraschend von Konzernchef Martin Winterkorn ab. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Piëch dem „Spiegel“, wie das Nachrichtenmagazin online berichtete.

VW steuert in Führungskrise
Foto: dpa

Der einflussreiche VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh stellte sich allerdings demonstrativ hinter Winterkorn. Auch VW-Konzernsprecher Stephan Grühsem sagte, Winterkorn habe Volkswagen in den vergangenen acht Jahren zu einem der „weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerne“ gemacht. Und VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stärkte Winterkorn den Rücken. „Ich bin unangenehm überrascht über die zitierten Aussagen von Herrn Professor Piëch“, sagte Weil der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.

Die „Spiegel“-Darstellung kommt einem Erdbeben im VW-Reich gleich. Piëch hatte die Konzernspitze vor Winterkorn selber geführt, zu dem er jahrzehntelang ein großes Vertrauensverhältnis besaß. Die Familien Porsche und Piëch besitzen die Stimmenmehrheit bei Volkswagen. Ohne Piëch fällt keine zentrale Entscheidung bei VW.

Das Tandem Winterkorn/Piëch galt auch als Weichensteller für die mittelfristige Zukunft. Winterkorns Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus, dann geht er auf die 70 zu. Piëch wird Mitte April 78.

Konzerninsider berichteten zuletzt stets übereinstimmend, dass Winterkorn Piëch an der Spitze des Kontrollgremiums ablösen dürfte. Nur der Zeitpunkt schien unklar. So ließ es auch Winterkorn zuletzt in mehreren Interviews offen, ob für ihn eine Vertragsverlängerung infrage komme. Vor diesem Hintergrund hat nun ein weiterer Satz von Piëch Gewicht. Dem „Spiegel“ sagte er: „Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen.“

In Verbindung mit der Aussage über die Distanz zu Winterkorn wirbelt das die Perspektiven für die Führungsspitzen des Konzerns durcheinander. Der „Spiegel“ schreibt, dass die Entscheidung, wer Volkswagen in Zukunft lenkt, erst 2017 falle; und zwar „kurz vor meinem Ausscheiden“, wie Piëch dem Magazin sagte. Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehmen. In Vorstand und Aufsichtsrat müssten jeweils Techniker die Führung bekleiden, das sei gesetzt.

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh reagierte am Freitag umgehend. „Wir haben eine klare Haltung, an der sich nichts geändert hat: Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord“, sagte Osterloh, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, der dpa. „Gemeinsam mit ihm haben wir seit 2007 eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben.“

Osterloh betonte: Ginge es nach dem Betriebsrat, werde Winterkorns Vertrag über 2016 hinaus verlängert. „Weitere Fragen stellen sich derzeit noch nicht, weil Dr. Piëch Aufsichtsratsvorsitzender ist, und wir die Kombination zweier starker Persönlichkeiten an der Unternehmensspitze schätzen.“ Mit dem Betriebsrat werde es keine weiteren Diskussionen über Personen und Funktionen geben.

Der „Spiegel“ führt für die Verstimmung zwischen Winterkorn und Piëch auch die großen strategischen Probleme an, vor denen Volkswagen seit Jahren steht. Die Gewinnkraft der Kernmarke VW-Pkw hinkt der Konkurrenz beständig hinterher. Daher greift seit vergangenen Sommer ein milliardenschweres Sparprogramm. In den USA fehlen die richtigen Modelle, so dass VW seit Jahren in einem wachsenden Markt - dem zweitgrößten der Welt - Anteile verliert. Und das schon vor Jahren angekündigte Budget-Car, mit dem der Konzern in die jungen Schwellenländer vorstoßen will, ist noch immer nicht da.

In Summe sind diese Probleme ärgerlich - sie werden aber verdeckt durch den insgesamt seit Jahren laufenden Rekordkurs des Konzerns, der sich mit großem Tempo bei Absatz, Umsatz und Gewinn verbessert. Der Rivale General Motors (GM) ist bereits überholt. Nun gilt es nur noch, den Weltmarktführer Toyota aus Japan einzuholen.

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