Volkswagen ruft europaweit 8,5 Millionen Diesel zurück

Wolfsburg/Flensburg (dpa) - Der Skandal um manipulierte Abgaswerte zwingt den VW-Konzern zum größten Rückruf in der Firmengeschichte. In den 28 Ländern der Europäischen Union holt Volkswagen rund 8,5 Millionen Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten, wie der Konzern mitteilte.

Volkswagen ruft europaweit 8,5 Millionen Diesel zurück
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Rund 2,4 Millionen davon entfallen auf die VW-Heimat Deutschland, wie die Wolfsburger berichteten. Diese Zahl hatte auch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) zuvor genannt.

Der europaweite Rückruf entspricht fast einem Jahresabsatz des Konzerns, der 2014 weltweit gut zehn Millionen Fahrzeuge verkaufte. VW hat für Rückrufe bisher rund 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Beim bislang größten VW-Rückruf hatte der Autobauer Ende 2013 wegen Qualitätsproblemen weltweit 2,6 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten beordert. Zuvor war europaweit von rund acht Millionen betroffenen Fahrzeugen die Rede gewesen.

Bisher war von weltweit insgesamt rund 11 Millionen betroffenen Dieseln die Rede gewesen, in denen die fragliche Software steckt. Unklar blieb dabei aber anfangs, ob das Manipulierungsprogramm auf allen Märkten arbeitet und ob Vorschriften dabei verletzt werden.

Ungewiss war zudem, ob überall ein Rückruf die Folge sein muss. Das KBA wertet die VW-Software als „unzulässige Abschalteinrichtung“. Das sehen die Behörden in den USA ähnlich, wo der Skandal begonnen hatte.

VW-Vorstandschef Matthias Müller schrieb am Donnerstag in einem Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dass die KBA-Entscheidung nun „eine Möglichkeit eröffnet, für die Europäische Union ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen“. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur in Hannover vor. Müller sicherte den betroffenen Kunden darin Transparenz zu. VW werde „hart daran arbeiten, Vertrauen wieder herzustellen“.

In Deutschland soll die Großaktion zum Austausch der Software im Januar 2016 starten und sich bis Jahresende ziehen. Das Bundesamt werde „den Beginn und den Fortgang der Rückrufaktion überwachen“, sagte Dobrindt. Bei freiwilligen Nachbesserungen unter der Regie des Konzerns bleibt es also nicht.

Bis Ende Oktober muss VW der Behörde nun die geplante neue Software für die 2,0-Liter-Modelle vorstellen, bis Ende November dann die Lösungen für die Fahrzeuge mit 1,6 Litern und 1,2 Litern Hubraum. VW habe zugesichert, dass den Kunden durch die Umrüstungen keine Kosten entstünden.

Die Rückrufaktion trifft vor allem die VW-Kernmarke. Aber auch die VW-Schwestermarken Audi, Seat, Skoda und einige VW-Nutzfahrzeuge zählen zum Kreis des Rückrufes.

Laut KBA handelt es sich bei der Software um eine „unzulässige Abschalteinrichtung“. VW muss sie aus allen Fahrzeugen entfernen und sicherstellen, dass die Abgasvorschriften künftig eingehalten werden. Für die Autofahrer ändert sich bis dahin nichts. „Die Fahrzeuge sind verkehrssicher und können deswegen auch im Einsatz ganz normal gefahren werden“, sagte Dobrindt.

Halter müssen erst aktiv werden, wenn sie von VW Post bekommen. Die Rückrufaktion ist dann aber für sie Pflicht. Ein KBA-Sprecher sagte, dass in letzter Konsequenz den Haltern bei Verweigerungen die Stilllegung der Wagen drohe. Zuvor gebe es aber wiederholte Aufforderungen.

VW plant für die betroffenen Autos mit 2,0 Litern Hubraum reine Software-Lösungen. Bei Motoren mit 1,6 Litern Zylindervolumen ist wohl zusätzlich eine Anpassung in der Motortechnik nötig - also ein Eingriff nicht nur über die Programmierung.

Diese technische Lösung steht vermutlich erst ab September 2016 zum Einbau zur Verfügung, wie Dobrindt sagte. Was genau bei den 1,2-Liter-Motoren technisch nachgebessert werden muss, blieb zunächst vage. Laut KBA sind die von VW skizzierten Anpassungen noch nicht abschließend bewertet.

Mit dem verpflichtenden Rückruf schaltet sich das KBA direkt ins Handling der Affäre ein und überlässt das nicht allein dem Konzern. Europas größter Autobauer hatte im Oktober einen Katalog mit Plänen an das Bundesamt gesandt, in denen es um die Bewältigung des Skandals der per Spezialsoftware geschönten Abgaswerte geht.

Die Deutsche Umwelthilfe verlangte, bei der Reparatur müsse gesichert sein, dass die versprochenen Abgaswerte nicht nur im Labor, sondern auch im realen Straßenverkehr eingehalten werden. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer begrüßte es, dass jetzt deutlich schneller nachgebessert werden müsse als es VW zunächst gewollt habe.

VW-Vorstandschef Müller forderte am Donnerstag vor Managern in Leipzig „ein anderes, ein moderneres Volkswagen“. Es gelte, die Entscheidungsstrukturen anzupassen und Verantwortung zu delegieren. „Wir müssen auch die Kultur und das Führungsverständnis im Konzern neu ausrichten“, sagte Müller. Es gebe „großen Veränderungsbedarf“.

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