Streit um Reformaufschub für Athen - EU-Spitzen wollen Reform

Tokio/Berlin/Brüssel (dpa) - Ein Reformaufschub für den Euro-Krisenstaat Griechenland ist weiter umstritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zur Forderung von IWF-Chefin Christine Lagarde, Athen mehr Zeit zum Sparen zu geben.

Merkel will am vereinbarten Zeitplan festhalten. „Wir haben ein Prozedere vereinbart, das sinnvoll ist und an das wir uns halten werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Maßgeblich für alle weiteren Entscheidungen sei der Troika-Bericht. „Das ist das, was für uns am Ende zählt.“

Der Troika-Bericht von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) steht noch aus. Ohne die Hilfstranche von 31,5 Milliarden Euro droht dem Land die Pleite.

Angesichts drängender Probleme in der Eurozone ist es möglich, dass die Staats- und Regierungschefs der 17 Mitgliedsländer am Rande des regulären EU-Gipfels nächste Woche zu Beratungen zusammenkommen. Nach dpa-Informationen ist aber bisher keine besondere Zusammenkunft der Euro-„Chefs“ angesetzt.

Die Staatenlenker aller 27 EU-Länder werden am Donnerstag und Freitag nächster Woche (18. und 19. Oktober) in Brüssel zu ihrem Herbstgipfel zusammenkommen. Das wichtigste Thema ist die Reform der Eurozone. Erst zu Wochenbeginn hatte die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Spaniens weiter nach unten geschraubt.

Im Falle Griechenlands hatte IWF-Chefin Lagarde vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Tokio einen Aufschub von zwei Jahren für Athen ins Gespräch gebracht. Um diese Frist hatte der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras wochenlang in den wichtigsten Hauptstädten Europas gebeten. Aufschub bei der Sanierung der Staatsfinanzen war zuvor schon Spanien und Portugal gewährt worden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Forderung von Lagarde erneut als verfrüht zurück. Bis der Troika-Bericht nicht vorliege, „dürfen wir nicht darüber spekulieren“. Vorzeitige Spekulationen würden die Märkte verwirren und zum Vertrauensverlust beitragen. Griechenland habe durch die Neuwahlen viel Zeit verloren und müsse dazu beitragen, das Vertrauen wieder herzustellen. Lagarde dagegen bekräftigte: „Angesichts des mangelnden Wachstums, des Marktdrucks und der bereits unternommenen Anstrengungen ist ein bisschen mehr Zeit notwendig.“

Um die Schuldenquote Athens zu senken, hat EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen einen Anleihenrückkauf vorgeschlagen. Er könne sich vorstellen, dass die Regierung in Athen mit geliehenem Geld eigene Staatsanleihen auf den Finanzmärkten zurückkauft, um so die hohe Schuldenquote des Landes zu drücken, sagte Asmussen der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). Eine Senkung dieser Quote gilt als eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich Griechenland in einigen Jahren wieder über private Kapitalgeber finanzieren und ohne Hilfe der Euro-Partner auskommen kann. Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstag) berichtete darüber. Demnach stieß der Vorstoß in Kreisen der Bundesregierung aber auf Ablehnung.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte in Tokio davor, bei der Lösung der Krise die Notenbanken immer stärker einzuspannen. Dies betreffe nicht nur die Euro-Zone, sondern auch andere Währungsräume. Der Bundesbank-Chef hatte die EZB-Pläne, unbegrenzt Anleihen aus Krisenländern anzukaufen, mehrfach kritisiert. „Die Geldpolitik stellt kein Allheilmittel dar und ist keine Wunderwaffe.“

Unterdessen legten vier Spitzenvertreter der Europäischen Union ein gemeinsames Papier zur Reform der Eurozone vor. Sie pochen insbesondere auf rasche Fortschritte bei der Bankenunion, deren Grundstein eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurozone ist. Die Vorschläge sollen beim Herbstgipfel in der nächsten Woche in Brüssel debattiert werden.

Das Reform-Papier stammt von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und von Mario Draghi, der die Europäische Zentralbank führt. Mit endgültigen Beschlüssen zum Umbau der Währungsunion wird erst im Dezember gerechnet. Die Reform ist nötig, weil die Schuldenkrise mehrere Mitgliedsländer an den Rand des Abgrunds brachte.

Die EU-Kommission hatte im September einen Vorschlag für eine einheitliche Aufsicht über die Geldhäuser im Euro-Raum gemacht. Sobald sie steht, sollen marode Banken direkt Nothilfe aus dem Euro-Rettungsfonds erhalten dürfen. Deutschland hat unter anderem Bedenken bei dem Zeitplan, die Aufsicht bis Jahresende zu schaffen.

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