Förderentscheidung Streit soll Batterieforschung in Münster nicht bremsen

Düsseldorf · Die Aufregung um die Entscheidung für den Standort Münster hat sich noch nicht gelegt. Aber die ersten 150 Fördermillionen des Bundes sind schon bewilligt.

 Die Kompetenz des Batterieforschungszentrums MEET in Münster war mitentscheidend bei der  Standortwahl für die Forschungsfabrik.

Die Kompetenz des Batterieforschungszentrums MEET in Münster war mitentscheidend bei der  Standortwahl für die Forschungsfabrik.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Seit vier Monaten tobt ein politischer Streit um die Standortentscheidung des Bundesforschungsministeriums für eine Batterieforschungsfabrik in Münster. Mehrfach stand Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in der Kritik: weil Empfehlungen der beratenden Gründungskommission nicht berücksichtigt wurden. Und weil so auch der böse Verdacht lanciert wurde, die Entscheidung habe damit zu tun, dass Karliczek aus Ibbenbüren kommt und ihren Wahlkreis dort hat. „Was hier geschieht, ist nicht nur unfair, es schadet auch dem Gesamtvorhaben“, stellt sich NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) den Kritikern entgegen.

Zusammen mit Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) nimmt er den ersten Förderbescheid in Höhe von 150 Millionen Euro zum Anlass, um zu signalisieren: Die Entscheidung für den Standort NRW nicht nur inhaltlich gerechtfertigt, sie ist trotz aller Kritik auch unumkehrbar. „Hier geht keine Zeit verloren.“ Man habe es mit einer der wichtigsten und innovativsten Projekte der Energiewende insgesamt zu tun.

Im Frühjahr 2022 soll die Forschungsfabrik fertig sein

Alles in allem stellt der Bund in den nächsten Jahren 500 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung, an dem Wissenschaftler aus Münster, Aachen und Jülich beteiligt sind. Noch in diesem Jahr soll das Grundstück von der Stadt Münster erworben werden. Der erste Spatenstich ist für den kommenden Sommer geplant. Im Frühjahr 2022 soll dann Deutschlands erste und wohl auch dauerhaft einzige Batterieforschungsfabrik übergeben werden – mit rund 150 Forschungsarbeitsplätzen. Aber schon jetzt haben 45 Mitarbeiter der Fraunhofer-Gesellschaft vor Ort ihre Arbeit aufgenommen.

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist Träger des Forschungsprojekts, mit dem Deutschland den Rückstand auf dem Feld der Batterienforschung und -produktion aufholen und unabhängiger vom asiatischen Markt werden will. Die Gesellschaft hatte Ulm als Standort bevorzugt; aus Baden-Württemberg kam auch die heftigste Kritik an der Entscheidung für Münster. Insgesamt hatten sich sechs Bundesländer beworben, darunter auch Bayern und Niedersachsen.

Aber dass der aktuelle Streit eher ein politischer denn ein wissenschaftlicher ist, wird in einer Äußerung von Jens Tübke deutlich. Der Der Professor am Fraunhofer-Institut in Karlsruhe ist Koordinator der Batterieforschungsfabrik, hat seit Jahren in Baden-Württemberg gearbeitet, sagte aber in dieser Woche den „Westfälischen Nachrichten“: „Bei der Batterieforschung geht es um harte globale Konkurrenz, da ist es vielleicht nicht so entscheidend, ob die Forschungsfabrik in München oder Münster steht.“

Zumal mit Professor Martin Winter, Leiter des Münsteraner Batterieforschungsinstituts MEET (Münster Electrochemical Energy Technology), unbestritten eine der führenden Koryphäen auf dem Gebiet vor Ort ist. Dazu kommen die beiden Aachener Elektropioniere Achim Kampker und Günther Schuh. Dem Vernehmen nach ist Winter ob des politischen Unwetters einigermaßen konsterniert. „Für die beteiligten Wissenschaftler war das keine sehr angenehme Erfahrung“, bestätigt Pfeiffer-Poensgen. Denn die überschaubare Batterienforscher-Szene kennt sich gut und ist untereinander vernetzt. Offenbar hätten noch nicht alle die großen Forschungsanstrengungen in NRW auf ihrer Landkarte.

Zugleich bekräftigen Pfeiffer-Poensgen und Pinkwart aber das nicht nur bundes-, sondern auch europa- und weltweit geltende Angebot an Wirtschaft und Wissenschaft zur Zusammenarbeit, „ausdrücklich auch an die Kritiker“. „Die Aufgabe ist zu groß und wichtig, um sich in regionalen Einzelinteressen zu verzetteln“, sagt Pinkwart. Das Land will selbst zusätzliche 200 Millionen Euro zum Projekt beisteuern und damit beispielsweise die Forschung an einem Netzbooster voranbringen, der Stromschwankungen ausgleichen soll. Offenbar ist der Bund auch bereit, die bei der Vergabe unterlegenen Forschungsstandorte mit weiteren 100 Millionen Euro zu unterstützen.

„Wenn Deutschland so viel Geld in die Hand nimmt, ist es eine Frage der Staatsräson, solche Entscheidungen dann auch mitzugehen“, ist Pinkwart überzeugt. Alles andere sei „völlig unsachgemäß und unangemessen“. Mehr als 75 Unternehmen, darunter Daimler, Toyota, Remondis und Evonik, haben schon Unterstützung signalisiert.

Neben der Forschung soll zudem die Produktion von Batteriezellen wieder aufgebaut werden. Der Bund stellt auch dafür massiv Fördergelder zur Verfügung. Voraussichtlich wird es mehrere Standorte geben. NRW ist auch hier im Rennen, eine Entscheidung aber noch nicht gefallen. Vorerst bleibt es bei Aussagen über „sehr konstruktive Gespräche“.

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