Streiks bringen Nahles in Zugzwang

Union drängt auf einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit — die Ministerin zögert.

 Nach den Streiks werden Rufe nach einer Tarifeinheit lauter.

Nach den Streiks werden Rufe nach einer Tarifeinheit lauter.

Foto: dpa

Berlin. Möglicherweise schneiden sich Lokomotivführer und Piloten mit ihren laufenden Streiks ins eigene Fleisch. Die CDU erhöht wegen der Ausstände gestern auf der Schiene und heute bei der Lufthansatochter Germanwings ihren Druck auf Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), ein Gesetz gegen solche Spartengewerkschaften vorzulegen.

„Wir müssen in Deutschland die Situation lösen, dass kleine Gewerkschaften weite Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens lahm legen“, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) unserer Zeitung. Von den Ausständen seien große Teile der Bevölkerung betroffen. Fuchs: „Es wird nun wirklich höchste Eisenbahn für Frau Nahles, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen.“

Die Forderung zielt auf ein Gesetz zur Tarifeinheit, das Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatten. Nur der Tarifvertrag jener Gewerkschaft, die in einem Betrieb die Mehrheit der Arbeitnehmer vertritt, soll demnach künftig gelten.

Bei der Bahn ist dies das Kernthema. Hier streikt die Lokomotivführergewerkschaft GDL nicht nur um mehr Lohn und weniger Arbeitszeit, sondern vor allem darum, dass sie auch für die Zugbegleiter verhandeln darf. Für die hat die Bahn aber bereits Tarifverträge mit der weit größeren DGB-Gewerkschaft EVG ausgehandelt. Die Bahn-Bosse wollen vermeiden, dass in einem Betriebsteil unterschiedliche Tarife gelten und dass die Gewerkschaften sich mit Forderungen übertrumpfen.

Gespräche über Lohnerhöhungen hat es wegen des Grundsatzstreits bisher noch nicht gegeben, die Fronten sind verhärtet. Den gestrigen Streik nannte die Bahn „besonders dreist“. Eigentlich seien vertrauliche Treffen zur Lösung der Krise anberaumt gewesen. Die GDL warf dem Konzern vor, vor dem eigentlichen Streikbeginn um 14 Uhr den Verkehr absichtlich chaotisiert zu haben.

Unterstützung fand die GDL bei Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht. Die Tarifeinheit sei ein „Streik-Abwürgungsgesetz“, mit dem streikfähige und kämpferische Organisationen klein gemacht werden sollten, sagte sie. Es sei nicht Aufgabe der Politik, verschiedene Gewerkschaften zur Einigung zu zwingen.

Kerstin Griese (SPD), Vorsitzende des Bundestags-Arbeitsausschusses, entgegnete, es gehe nicht um eine Schwächung von Gewerkschaften, sondern darum, dass die Interessen verschiedener Gewerkschaften gebündelt und zusammengeführt würden. „Das Prinzip, ein Betrieb — ein Tarifvertrag, muss gelten“, sagte die sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete für Niederberg und Ratingen. Es dürfe nicht sein, dass Spartengewerkschaften ein ganzes Land lahm legen könnten, um ihre Interessen gegen eine andere Gewerkschaft durchzusetzen.

Im Mai hatte der DGB, ursprünglich Befürworter der Tarifeinheit, einen Beschluss gefasst, der hohe Hürden für eine Neuregelung formulierte. Das Streikrecht oder die Tarifautonomie dürften nicht beeinträchtigt werden, hieß es darin. Gegen die Gewerkschaften aber wollen weder Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch Arbeitsministerin Nahles handeln. Gegenwärtig, so ist zu hören, wird ein Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums in der Regierung „intensiv geprüft“, Justiz- und Innenministerium sind einbezogen. Die Sache sei „komplex und hoch anspruchsvoll“, hieß es im Nahles-Ressort. Ursprünglich sollte das Gesetz Anfang Dezember im Kabinett beraten werden. Für den Konflikt zwischen GDL und Bahn käme eine Neuregelung ohnehin zu spät. Beide müssen sich einigen. Irgendwie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort