Strauss-Kahn verliert den Rückhalt der USA

Berlin/Washington (dpa) - Der Druck auf den inhaftierten IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn zum Rücktritt wird immer stärker. Am Mittwoch verlor der Franzose den Rückhalt der USA, des wichtigsten IWF-Geberlandes.

Strauss-Kahn sei „offensichtlich nicht in der Lage“, den Währungsfonds zu lenken, sagte Finanzminister Timothy Geithner. Selbst wenn der in New York festgehaltene „DSK“ gegen Kaution freigelassen werden sollte, dürfe er höchstwahrscheinlich die Stadt nicht verlassen und werde daher seinen Verpflichtungen als IWF-Chef nicht nachkommen können, merkten US-Zeitungen an.

Einen Nachfolgekandidaten haben die USA bislang nicht ins Spiel gebracht. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde gilt für Beobachter momentan als heiße Kandidatin. Aber auch Entwicklungs-und Schwellenländer melden angesichts ihres wachsenden Gewichts in der Weltwirtschaft Anspruch auf den Spitzenjob an, der bisher traditionell an einen Europäer ging. Die „Washington Post“ spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen „spalterischen“ Kampf um den Posten. Deutschland will in der Debatte um die IWF-Führung keinen Druck machen und die Personalfrage dem Währungsfonds selbst überlassen.

Die USA fordern dagegen eine Übergangslösung für den wichtigen Posten: „Es ist wichtig, dass der Verwaltungsrat formell jemanden für eine Übergangszeit einsetzt, der als geschäftsführender Direktor agieren kann“, zitierte das „Wall Street Journal“ Geithner.

Ein IWF-Sprecher erklärte in der Nacht zum Mittwoch, es habe bisher keinen Kontakt mit dem inhaftierten Strauss-Kahn gegeben. „Offensichtlich wird ein Kontakt zu gegebener Zeit wichtig sein.“ Der IWF sei sich der weit verbreiteten Spekulationen über den Status seines Chefs bewusst und werde weiterhin die Entwicklungen verfolgen. Bis auf Weiteres bleibe John Lipsky, Strauss-Kahns Stellvertreter, mit der Führung der einstweiligen Geschäfte beauftragt.

Geithner zeigte sich zuversichtlich, dass der IWF trotz der gegenwärtigen Herausforderung seine Rolle in der Finanzwelt spielen werde: „Da passiert gerade eine Menge in der Welt, und da möchte man, dass der Währungsfonds hilfreich ist“, betonte er. „Ich bin aber überzeugt, dass er dazu in der Lage sein wird.“

Strauss-Kahn ist wegen sechs Straftaten angeklagt, für die er mehr als 70 Jahre Haft bekommen kann. Er soll am Samstag ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel überfallen und sexuell bedrängt haben. Derzeit sitzt er auf einer Gefängnisinsel in New York ein.

Die Forderung Geithners nach einer Übergangslösung für die IWF-Führung wird von der Bundesregierung derzeit nicht mitgetragen. Der IWF werde einen Weg finden, um jederzeit seine Handlungsfähigkeit zu sichern, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin. Die Debatte müsse intern beim IWF geführt werden. Es bestehe keine Notwendigkeit, von außen einzuwirken.

Steegmans bekräftigte die Position Deutschlands, dass bei einem Wechsel an der IWF-Spitze erneut ein Europäer zum Zuge kommen sollte. Angesichts der Debatte um die Rettung angeschlagener Euro-Länder wäre es „sehr sinnvoll“, wenn der IWF-Chef mit den Besonderheiten Europas und den „hiesigen Umständen“ bestens vertraut sei. Stark wachsende Schwellenländer pochen inzwischen ebenfalls auf den IWF-Vorsitz. In Europa gebe es eine Fülle von hoch qualifizierten Kandidaten. Ob Deutschland einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken würde, ließ er offen. „Die Frage einer Nachfolge beim IWF stellt sich heute noch nicht.“ Auch für Strauss-Kahn gelte die Unschuldsvermutung.

Die Nachfolgedebatte ist dennoch längst in vollem Gang. „Sie verschwenden keine Zeit“, kommentierte die „New York Times“ sarkastisch. Zu den Namen, die für den IWF-Chefposten genannt werden, gehören Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und der britische Ex-Premier Gordon Brown. Als mögliche deutsche Kandidaten im Gespräch sind Thomas Mirow, der Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, sowie der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.

Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega sprach sich dafür aus, dass Kandidaten aus Entwicklungs- und Schwellenländern diesmal durchaus in Betracht kommen müssten. Zu den kursierenden Namen aus aufstrebenden Schwellenländern gehören der türkische Ex-Minister Kemal Dervis, Südafrikas Ex-Finanzminister Trevor Manuel sowie der mexikanische Zentralbank-Governeur Agustín Carstens.

Der IWF ist in der weltweiten Finanzkrise zu einem der wichtigsten Krisenhelfer aufgestiegen. Gerade in der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise spielt der IWF eine wichtige Rolle. Zusammen mit den Europäern schnürte der Währungsfonds Milliarden-Rettungspakete für die Schuldensünder Griechenland, Irland und Portugal. Außerdem entsendet er Teams in Schuldnerländer, die deren Fortschritte überprüfen.

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