Spanien durch Rating-Abstufung in Bedrängnis

Madrid/Berlin (dpa) - Die Sorgen um das hoch verschuldete Euroland Spanien werden immer größer. Mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der viertgrößten Volkswirtschaft in der Eurozone durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat sich der Druck auf Madrid massiv erhöht.

Die Herabstufung belastete auch Euro-Sorgenkind Italien. Um an frisches Geld von Investoren zu kommen, muss das Land tiefer in die Tasche greifen. Im Streit über Nachverhandlungen um den europäischen Fiskalpakt zeichnet sich ein Kräftemessen zwischen der Bundesregierung und dem möglichen neuen Präsidenten Frankreichs, François Hollande, ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt Forderungen des Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten nach Neuverhandlungen über den mühsam ausgehandelten Fiskalpakt ab. „In dieser Phase ist eine Nach- oder Neuverhandlung nicht möglich“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Die Staats- und Regierungschefs von 25 der 27 EU-Staaten hätten den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin und nationale Schuldenbremsen unterzeichnet, sagte Seibert. Mit Portugal und Griechenland hätten ihn bereits zwei Länder ratifiziert. Ende Mai werde in Irland per Referendum darüber entschieden. In anderen Ländern befinde sich der Pakt im parlamentarischen Verfahren.

Derweil rutscht Spanien immer tiefer in den Krisenstrudel. Die mächtige US-Ratingagentur S&P senkte die Kreditwürdigkeit des Landes gleich um zwei Stufen von „A“ auf „BBB+“ und setzte den Ausblick auf „negativ“. Damit droht eine weitere Herabstufung. Vor diesem Hintergrund dürfte es für Madrid immer teurer und schwieriger werden, sich Geld von Investoren zu besorgen. Gleichzeitig steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung den Banken mit weiteren Hilfen unter die Arme greifen müsse. Das wiederum berge das Risiko, dass die Verschuldung weiter ansteigen könne, hieß es.

Die Absenkung des Ratings blieb nicht ohne Folgen an den Märkten: Die Rendite für zehnjährige spanische Anleihen stieg am Freitag um 0,14 Prozentpunkte auf 5,931 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland hat ein Spitzenrating von „AAA“ und kann sich entsprechend günstig Geld am Kapitalmarkt borgen.

Auch vom spanischen Arbeitsmarkt kamen schlechte Nachrichten. Die Arbeitslosenquote stieg im April auf den höchsten Stand seit 18 Jahren. Sie schnellte von 22,9 Prozent im Vormonat auf 24,44 Prozent nach oben, wie die Statistikbehörde INE in Madrid mitteilte. Das unter der Schuldenkrise leidende Land hat die höchste Arbeitslosenquote in der Eurozone.

Die spanische Wirtschaft stürzte zu Jahresbeginn in die Rezession. S&P geht davon aus, dass es im Gesamtjahr um 1,5 Prozent bergab geht und im kommenden Jahr nochmals um 0,5 Prozent. Bislang waren die Ratingwächter von einem Wirtschaftswachstum ausgegangen.

Die Regierung hat sich vorgenommen, das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 5,3 Prozent zu drücken - angesichts des Wirtschaftsabschwungs eine schwierige Aufgabe. Spanien gilt deshalb als Sorgenfall der Eurozone. Immer wieder gibt es auch Spekulationen, dass das Land am Ende internationale Hilfe beanspruchen müsse.

Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo sieht sein Land in einer Krise gewaltigen Ausmaßes. Zu den generellen Krisenfaktoren in Europa kämen in Spanien noch die Immobilienblase, die niedrige Produktivität oder eine sehr schwache Inlandsnachfrage hinzu, sagte der Minister im staatlichen Rundfunk. Zugleich äußerte er sich kritisch über das deutsche Krisenmanagement.

Die EU-Kommission setzt weiter auf den Sparkurs der Regierung in Madrid. „Wir vertrauen den Verpflichtungen der spanischen Regierung für 2012 und 2013“, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Die Sprecherin ging nicht im Einzeln auf die Entscheidung von S&P ein. Auch Deutschlands Regierungssprecher Seibert wollte den Schritt nicht kommentieren. Die Bundesregierung habe aber Zutrauen und Vertrauen in Spanien. Das Land sei entschlossen, dass Nötige zu tun, um die Herausforderungen der Krise zu bewältigen. Die zahlreichen Maßnahmen und Reformen verdienten in Spanien und international Respekt.

Die Rating-Herabstufung Spaniens macht auch Italien zu schaffen: Um an frisches Geld von Investoren zu kommen, muss Rom mehr Zinsen bieten. Bei einer Anleiheauktion am Freitag ging zudem auch die Nachfrage zurück, wie aus den Angaben des italienischen Schatzamts hervorgeht. Experten betrachten die jüngsten Entwicklungen in der europäischen Schuldenkrise mit Sorge, doch am Markt wurde die Versteigerung dennoch positiv aufgenommen. Am deutschen Aktienmarkt ging es nach der Abstufung zunächst abwärts, die Indizes drehten dann aber größtenteils ins Plus.

Unterdessen beschloss der Bundestag eine Stärkung seiner Rechte bei Euro-Rettungshilfen. Das Parlament billigte am Freitag mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf von Union, FDP, SPD und Grünen. Danach soll grundsätzlich das gesamte Plenum entscheiden. Dies betrifft auch eilige Fälle. Nur bei besonders vertraulichen Maßnahmen wie dem Kauf von bestimmten Staatsanleihen soll ein kleines Sondergremium die Parlamentsrechte wahrnehmen können.

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