Pioniere auf dem liberalisierten Strommarkt

Seit nunmehr 20 Jahren können Bürger ihren Energieanbieter frei wählen. Naturstrom AG übernahm Vorreiterrolle beim Ökostrom.

Pioniere auf dem liberalisierten Strommarkt
Foto: M. Ersch

Düsseldorf. Am Anfang stand die ehrgeizige Idee, die fossilen und nuklearen Kraftwerke nach und nach durch regenerative Energien abzulösen. „Wir haben uns oft gefragt, ob das immer so gutgeht“, sagt Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender der Naturstrom AG, rückblickend über die Gründung des Düsseldorfer Unternehmens, das vor rund 20 Jahren in der Energiewirtschaft Pionierarbeit geleistet hatte: Denn 1998 wurde der Strommarkt in Deutschland liberalisiert — und anders als zuvor konnten Bürger erstmals ihren Anbieter frei wählen.

16 Mitglieder aus Umwelt- und Ökoenergieverbänden nutzten damals die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber mit der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes bot und hoben wenige Tage vor dessen Inkrafttreten die Naturstrom AG als ersten bundesweit agierenden Ökostromanbieter aus der Taufe. „Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass man die Energiewende damals verwaltet hat“, sagt Banning. „Die ersten zwei, drei Jahre waren abenteuerlich.“

Denn zwar war der Strom- und Gasmarkt von der Politik geöffnet worden — nicht zuletzt, um eine Monopolstellung der großen Energiekonzerne zu durchbrechen — doch sei der Stromvertrieb für die Anbieter noch eine Rechnung mit vielen Unbekannten gewesen: „Der Gesetzgeber hatte keine Spielregeln festgelegt, wie das abzulaufen hatte. Das erschwerte einiges.“ So habe man beispielsweise in den Anfangsjahren keinen Zugriff auf Zählerdaten gehabt. „Wir mussten bei den Verteilnetzbetreibern regelrecht anklopfen und um Erlaubnis bitten, ob wir unseren Strom bei ihnen durchleiten dürfen.“ Auch die Netznutzungsentgelte hätten diese vormals nach eigenem Gutdünken festlegen können, bevor 2005 die Bundesnetzagentur die Regulierung des Marktes übernahm. „Bei unseren ersten 700 Kunden mussten wir uns mit 126 Netzbetreibern auseinandersetzen“, erinnert sich Naturstrom-Sprecher Tim Loppe.

Nachdem sich die ersten Jahre als Durststrecke erwiesen hatten, konnte Naturstrom mit der einsetzenden Debatte um den Klimawandel seit 2006 enorme Zuwächse verzeichnen. Ab 2008 belieferte das Unternehmen die Kunden vorwiegend direkt aus dezentralen Windenergie-, Wasserkraft- und Solaranlagen und wurde somit zum Vorreiter in der Direktvermarktung von Ökostrom. Besonders stark war die Nachfrage im Jahr 2011, als die Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan auch in Deutschland die Bundesregierung zum Umdenken zwang.

So sollte die Naturstrom AG, die sich als Bürger-Energiegesellschaft versteht, Prototyp für eine Energiewirtschaft auf Basis erneuerbarer Energien werden und die Energiewende vorantreiben. Rasant wuchs in den vergangenen Jahren der eigene Erzeugungspark des Unternehmens. So betreibt Naturstrom mittlerweile Windenergie-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen mit einer Leistung von mehr als 160 Megawatt und investierte allein in den vergangenen drei Jahren über 200 Millionen Euro.

Auch in diesem Jahr sollen wieder mehrere Anlagen dazukommen — vornehmlich Solarparks. „Mieterstromprojekte und neue Formen der Wärmeversorgung, die Vermarktung von Wind- und Solarstrom, der Betrieb von Messestellen und Anschlussnetzen, Infrastruktur für E-Mobilität, all das gehört inzwischen zu Naturstrom“, erklärt Banning. So hat Naturstrom in Köln etwa das Projekt „Donk-EE“ etabliert, ein Verleihsystem für elektronisch betriebene Lastenräder, mit denen man in der Domstadt umweltschonend und platzsparend größeres Gepäck transportieren kann. Wenn sich das Konzept als erfolgreich erweist, wolle man auch Düsseldorf für die Lastenräder in den Blick nehmen.

Trotz der positiven Entwicklung sieht Banning politischen Handlungsbedarf: „Wir beobachten eine Bevorzugung großer Anbieter seitens der zuständigen Ministerien und Politiker. Dem liegt ein Weltbild zugrunde, demzufolge Größe die Kosten senkt.“ Für die Kunden sei dies aber keineswegs der Fall: So werde in Ausschreibungen einseitig nach den reinen Produktionskosten von Strom vor Ort entschieden, wer wo welche neuen Anlagen errichten dürfe. „Die Kosten des Systems dagegen werden nicht berücksichtigt und auf die Bürger und die kleinen Unternehmen abgewälzt.“

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