OECD: US-Arbeitslosigkeit wird zum Dauerproblem

Washington (dpa) - In puncto Dynamik und Erfindungsreichtum gelten die USA als Weltspitze - doch ohne erhebliche Investitionen in die Bildung junger Amerikaner könnte die größte Volkswirtschaft der Welt diesen Nimbus verlieren.

Zu diesem Ergebnis kommt die OECD in ihrem jüngsten Bericht über die US-Ökonomie. „Die USA sind noch eine der innovativsten Ökonomien in der Welt, aber der Wettbewerb nimmt zu, und wir brauchen eine bessere Politik, um die USA in der Spitzenposition zu halten“, sagte der Vize-Generalsekretär der Industriestaatenorganisation, Richard Boucher, am Dienstag in Washington bei der Präsentation des Berichts.

Obwohl nach dem Ende der tiefen Rezession 2009 wieder Stellen geschaffen würden, rechnen die OECD-Experten auch für 2012 mit einer durchschnittlichen US-Arbeitslosenquote von etwas über acht Prozent - und für 2013 nur mit einem geringen Rückgang auf 7,6 Prozent.

Eine solch hohe Arbeitslosigkeit über einen so langen Zeitraum hinweg habe es zuletzt während der „Großen Depression“ (von 1929 an) gegeben, schreibt die OECD in einer am Dienstag in Washington veröffentlichten Studie über die US-Ökonomie. Doch damit nicht genug: Die Industriestaatenorganisation mit Sitz in Paris prognostiziert zugleich, dass die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich weiter wachsen dürfte - und dass die größte Volkswirtschaft der Welt allmählich ihre Innovationskraft einbüßen könnte.

Besonders große Sorge macht den OECD-Experten, dass immer mehr Amerikaner ohne Job immer länger nach einer neuen Stelle suchen müssen. Die OECD spricht von einem für US-Verhältnisse extrem ungewöhnlichen „dramatischen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit“. Zwischen 2003 und 2007, also vor der Finanzkrise und der jüngsten Rezession, hätten Arbeitslose durchschnittlich neun Wochen gebraucht, um wieder in Lohn und Brot zu kommen. Anfang 2010 sei dieser Wert auf fast 26 Wochen emporgeschnellt, um sich danach bei etwa 20 Wochen einzupendeln.

Rund 40 Prozent der Arbeitslosen sind demnach sogar länger als 27 Wochen ohne Job. Die OECD spricht von einem besorgniserregenden Trend: „Obwohl die aktuelle Schwäche am US-Arbeitsmarkt überwiegend zyklischer Natur ist, besteht gleichwohl ein großes Risiko, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit zu chronischen Problemen auswachsen könnte. Kurzfristig fordert die OECD von der Regierung in Washington intensivere Maßnahmen zur Wiedereingliederung Arbeitsloser in das Erwerbsleben. Längerfristig seien aber Reformen im Ausbildungswesen geboten. Im Kern geht es dabei darum, Schulabgänger und Hochschulabsolventen besser auf die Erfordernisse von Unternehmen vorzubereiten.

In diesem Zusammenhang empfiehlt die OECD den Amerikanern den Blick nach Deutschland und in die Schweiz mit seiner „Dualen Ausbildung“. Eine jahrelange Lehre mit begleitender Berufsschule und staatlich anerkannten Abschlüssen in Hunderten von Berufen gibt es in den USA so nicht, böte aber laut OECD große Vorteile: „Für viele Studenten könnte diese Praxisorientierung viel mehr bringen als Unterrichtsstoff ohne erkennbaren Bezug zu Dingen, von denen sie keine Ahnung haben oder die sie nicht interessieren.“

Deutsche Firmen, die in den USA produzieren, haben die Idee des „Dualen Systems“ bereits ins Land gebracht. So unterhalten Autobauer wie VW oder BMW Kooperationen mit den Schulen vor Ort, um neue Mitarbeiter nach ihren Bedürfnissen auszubilden. Beide Konzerne haben große Werke im Süden der Vereinigten Staaten hochgezogen, wo klassischerweise früher keine Autos gebaut wurden. Entsprechend groß war der Nachholbedarf bei der Qualifizierung von Mitarbeitern.

Ernüchternd fällt auch das Urteil über die Qualität der Schul- und Hochschulausbildung aus: „Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, geben die USA viel mehr für Erziehung aus als die meisten anderen OECD-Länder“, heißt es in dem Bericht. Dennoch schnitten 15-Jährige im internationalen Vergleich beim Lesen, Rechnen und in Naturwissenschaften bestenfalls knapp über dem Durchschnitt ab. „Die Vereinigten Staaten können sich kein Schulsystem mit solch mittelmäßigen Resultaten leisten, wenn sie ihren Rang unter den besten wissensbasierten Ökonomien behalten wollen.“

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