Interview Chef des NRW-Steuerzahlerbunds „Wir fordern die vollständige Abschaffung des Straßenbaubeitrags“

Düsseldorf · Der NRW-Steuerzahlerbund-Chef Rik Steinheuer spricht im Inteview über eine CO2-Steuer, Defizite der Landesregierung und Tricks beim Abwasser.

 Weil es zu viele Müllverbrennungsanlagen gibt, kämpfen die Betreiber um jede Tonne Abfall. Das führt nicht selten zu Dumpingpreisen.

Weil es zu viele Müllverbrennungsanlagen gibt, kämpfen die Betreiber um jede Tonne Abfall. Das führt nicht selten zu Dumpingpreisen.

Foto: picture alliance / dpa/Julian Stratenschulte

Als Nachfolger von Heinz Wirz ist Rik Steinheuer seit einigen Wochen Vorsitzender beim Bund der Steuerzahler in NRW. Wir sprachen mit ihm darüber, ob den Bürgern neue Belastungen zugemutet werden können und wo Entlastungen möglich sind.

Herr Steinheuer, alle reden vom Klimawandel. Ist eine CO2-Steuer der richtige Weg, um die Erderwärmung zu begrenzen?

Rik Steinheuer: Nein, eine nationale CO2-Steuer ist der falsche Weg, weil sie unabsehbare Zusatzlasten für die Bürger und Betriebe in Deutschland bedeutet. Schon heute zahlen die Verbraucher viel. Energiesteuern für Kraftstoffe und fürs Heizen, Kfz-Steuer, Luftverkehrsteuer, Stromsteuer und diverse Strom-Umlagen summieren sich bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmer-Haushalt auf rund 100 Euro im Monat.

Sie wollen den Klimakiller CO2 also nicht teurer machen?

Steinheuer: Das habe ich nicht gesagt. Wirksame Klimapolitik ist möglich. Wir schlagen eine EU-weite Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels auf den Verkehrsbereich, den Gebäudesektor und die Landwirtschaft vor. Die Politik gibt die Emissionslimits vor, der Rest ergibt sich am Markt. Mit Hilfe der Zusatzeinnahmen aus den Zertifikaten muss der Staat die Bürger und Betriebe dann aber an anderer Stelle steuerlich entlasten.

Mit Ihrer Kampagne gegen die Straßenbaubeiträge in NRW haben Sie einen Teilerfolg erzielt. Die künftig Betroffenen werden um etwa 65 Millionen Euro jährlich entlastet. Reicht Ihnen das?

Steinheuer: Nein, wir fordern die vollständige Abschaffung des Straßenbaubeitrags, weil er nicht mehr zeitgemäß ist.

Wie beurteilen Sie, dass die schwarz-gelbe Landesregierung entgegen ihrer Zusage auf den Schuldenabbau verzichtet?

Steinheuer: Das ist enttäuschend. Im Etatentwurf für 2020 geht Finanzminister Lutz Lienenkämper davon aus, dass die Steuereinnahmen weiter um 3,7 Prozent auf 65,2 Milliarden Euro steigen. Angesichts dieser Zahl sollte Schuldentilgung möglich sein. NRW sitzt auf einem Schuldenberg von etwa 178,5 Milliarden Euro.

Wo muss die Landesregierung aus Ihrer Sicht noch liefern?

Steinheuer: Bei der Grunderwerbsteuer. NRW liegt mit 6,5 Prozent an der Spitze der Bundesländer. Schwarz-Gelb wollte die jüngste Anhebung durch die rot-grüne Vorgängerregierung zurücknehmen, hat das aber nicht getan.

Kritik übt der Bund der Steuerzahler schon lange an den Müllgebühren in NRW. Die seien intransparent, so eine Art geheime Kommandosache. Ist es besser geworden?

Steinheuer: Leider nicht. Die Verwaltungsgerichte sehen in der Veröffentlichung der Daten keine Eilbedürftigkeit.

Die Unterschiede bei den Müllgebühren sind gewaltig. Ein Grund dafür ist das Gefälle bei den Verbrennungskosten. Der Kreis Kleve zahlt für die Verbrennung im Müllofen in Krefeld 85 Euro je Tonne, die Stadt Krefeld knapp 190 Euro je Tonne. Kann das richtig sein?

Steinheuer: Wir haben bei der Müllverbrennung in NRW erhebliche Überkapazitäten. Um die Anlagen zu füllen, gibt es auch fragwürdige Entwicklungen, dass zum Beispiel Müll aus Italien hier verbrannt wird. Trotzdem halte ich eine stärkere Regulierung des Marktes für falsch, weil der Wettbewerb letztlich auch dem Gebührenzahler zugute kommt.

Aber die Kommunen mit einer eigenen Müllverbrennungsanlage sind die Gekniffenen, weil sie Dumpingpreise bieten müssen?

Steinheuer: Ja, das kann man so sagen. Sie sitzen auf hohen Kosten, während Kommunen ohne eigene Anlage die niedrigeren Wettbewerbspreise erhalten.

Die Höhe der Abwassergebühren wird von Ihnen ebenfalls seit Jahren kritisiert. Warum?

Steinheuer: Weil viele Kommunen einen kalkulatorischen Zinssatz von mehr als sechs Prozent zugrunde legen. Sie gehen also davon aus, dass sich das langfristig im Kanalsystem gebundene Eigenkapital mit mehr als sechs Prozent rentieren sollte. Wir leben aber seit vielen Jahren in der Nullzinsphase. Deshalb ist eine solche Kalkulation mit Mondzinsen nicht nachvollziehbar.

Was wollen Sie dagegen tun?

Steinheuer: Wir setzen darauf, dass die Verwaltungsgerichte diesem Abkassieren endlich Einhalt gebieten und ihre bisherige Rechtsprechung ändern. Entsprechende Verfahren sind anhängig. Unabhängig davon arbeiten wir daran, anhand konkreter Zahlen einmal vorzurechnen, wie stark die Abwassergebühren sinken könnten, wenn das Eigenkapital realistisch verzinst würde. Vermutlich wären Senkungen im zweistelligen Prozentbereich möglich.

Etliche Städte in NRW, darunter auch Wuppertal, leiden unter ihren hohen Altschulden. Ist eine Entschuldung nicht zwingend, um Spielraum für neue Investitionen zu schaffen?

Steinheuer: Im Grundsatz ja. Aber es ist wichtig, auf die Ursachen hinzuweisen. Es gab vielerlei Versagen in NRW. Viele Kommunen haben über ihre Verhältnisse gelebt. Aber die Aufsicht durch das Land hat das auch nicht verhindert. Früher musste die Aufnahme von Kassenkrediten genehmigt werden, das ist weggefallen. Deshalb stecken viele Kommunen im Schuldensumpf fest. In anderen Bundesländern wäre das undenkbar. Kommunalpolitiker in Baden-Württemberg verstehen die Welt nicht mehr, wenn sie hören, dass die Städte in NRW beim Schuldenmachen freie Hand haben. Also: Die Kommunen brauchen Hilfe. Aber die Kontrolle bei den Krediten muss wieder stattfinden.

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