Steuern Plädoyer für neue Lobby der Steuerzahler

Düsseldorf · Was der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) dem üblichen Lamentieren über die Steuerlast entgegensetzt.

Norbert Walter-Borjans macht sich in seinem Buch für mehr Steuergerechtigkeit stark.

Norbert Walter-Borjans macht sich in seinem Buch für mehr Steuergerechtigkeit stark.

Foto: Sergej Lepke

Er war sieben Jahre lang, von 2010 bis 2017, NRW-Finanzminister. Als Rot-Grün dann abgewählt wurde, haben wohl die wenigsten Wähler Norbert Walter-Borjans  persönlich gemeint. Außer vielleicht Menschen, die ihr Geld vor der Steuer verstecken wollten und bei den berühmten Steuer-CD-Ankäufen zu Tausenden aufflogen oder ihr Heil in einer Selbstanzeige suchten, um einer Strafverfolgung zu entgehen.   Jetzt hat der 66-Jährige ein Buch geschrieben. Über sein Thema: Steuern. Doch der SPD-Mann geht das Thema anders an als diejenigen, die so gern über Steuern lamentieren. Sein Schwerpunkt liegt auf dem  Sinn von Steuern für das Gemeinwesen. Wie wichtig  sie für das Zusammenhalten eben dieser Gesellschaft sind. Und wie bedeutend der Aspekt ist, dass es dabei gerecht zugeht.

Natürlich kommt er auf das herausragende Thema seiner Amtszeit zu sprechen, eben die Steuer-CDs. Auf den anfänglichen Widerstand, der ihm entgegenschlug, als er mit Hilfe des Ankaufs von Daten Steuerhinterzieher auffliegen ließ. Wie ihm vorgeworfen wurde, dass er den Staat zum Hehler mache, denen er aber nach wie vor entgegenhält:  „Nicht die Ermittlungsarbeit ist kriminell, sondern die Steuerhinterziehung.“  Und wie sich das Projekt ausgezahlt hat für das Gemeinwesen, das diesem sieben Milliarden Euro in die Kassen spülte. Walter-Borjans reklamiert das auch in seinem Buch nicht als eigene Heldentat, sondern preist vor allem die Wuppertaler Steuerfahndung und deren damaligen Chef Peter Beckhoff.  Nowabo, wie der ehemalige Finanzminister genannt wird,  verkneift sich ausdrückliche Kollegenschelte an seinem Nachfolger. Indirekt lässt sie sich aber doch herauslesen - wenn er schreibt, dass die Bereitschaft für Kreativität in der Steuerfahndung  davon abhänge, dass die Fahnder „sich der Rückendeckung von ganz oben gewiss sein können“.  Dass es um diese Rückendeckung nicht mehr gut bestellt sei, kann auch er nur mutmaßen. Doch er stellt fest: Die Wuppertaler Steuerfahndung hat seither wichtige Steuerfahnder verloren, die in eine Beratungskanzlei wechselten: „Die Fahndung hat nicht nur Top-Experten verloren: die Gegenseite hatte sie gewonnen“, schreibt er verbittert.

Doch es geht Nowabo erkennbar nicht um politische „Bashing“ in diesem Buch, sondern um das schiefe Kräfteverhältnis , das durch eine gut organisierte Lobby hergestellt wird - für das Nutzen von Steuerschlupflöchern oder das Miesmachen des Steuerzahlens überhaupt. Wo doch die Einnahmenseite staatlicher Haushalte und vor allem die Frage, ob es dabei gerecht zugeht, essentiell sei. Und  jeder Euro, den diejenigen „sparen“, die sich der finanziellen Beteiligung  und der Aufrechterhaltung des Gemeinwesens entziehen, von allen anderern aufgebracht  werden muss.  „Sie bezahlen am Ende die Rechnung der anderen mit. Entweder, weil sie mehr zahlen müssen als nötig wäre, wenn sich auch die Drückeberger beteiligen würden, oder weil der Staat dringend Nötiges nicht finanzieren würde.“

Walter-Borjans knöpft sich insbesondere zwei Organisationen vor, die aus seiner Sicht für  diese Anti-Steuer-Lobby stehen: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und den Bund der Steuerzahler. Diese träten in ihrem Anliegen als Anwälte der kleinen Leute und der Mitte der Gesellschaft auf und stellten den Staat als gefräßige Krake dar.  Man spürt den Schaum vor dem Mund, wenn er etwa den alljährlich vom Bund der Steuerzahler begangenen „Tag der Steuerzahler“ geißelt, ab dem der Bürger nicht mehr für den Staat arbeiten müsse. „Wenn mich etwas auf die Palme bringt, dann ist es diese bewusste Irreführung der Bürger mit dem Ziel, sie gegen ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren.“ Er fordert: Es muss ein gesellschaftlicher Gegendruck entstehen, der solche Politiker stärkt, die sich mehr Steuergerechtigkeit auf die Fahnen schreiben, die den Menschen klar machen, dass es ohne gerechte Einnahmen keine gerechten Ausgaben geben kann. In einer eigenen Art  „Aufstehen“-Appell fordert Walter-Borjans leidenschaftlich eine Lobby für das Gemeinwesen und gegen die Lobby der Gruppeninteressen.

Ein engagiertes und trotz der als trocken erscheinenden Steuer-Materie ein gut verständliches und in seiner Intention nachvollziehbares Buch.

Norbert Walter-Borjans, Steuern – der große Bluff, Kiepenheuer &Witsch, 288 Seiten, 12,99 Euro.

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