Mühelos Milliarden ergaunern

Umsatzsteuerbetrug: Das Ifo-Institut schätzt den Gesamtschaden im vergangenen Jahr auf 17,3 Milliarden Euro.

Düsseldorf. Düsseldorfer Staatsanwaltschaft und SteuerfahndungHagen haben eine Bande von mutmaßlichen Umsatzsteuer-Betrügern dingfestgemacht. Die fünf am vergangenen Montag bei einer Razzia Verhaftetensollen den Staat mit einem sogenannten Umsatzsteuer-Karussell ummindestens einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag geprellt haben(wir berichteten).

Ein solcher Umsatzsteuerbetrug ist fürStraftäter sehr attraktiv, weil er wenig Aufwand erfordert, die Gewinnehoch und die Entdeckungsrisiken gering sind. Nach Schätzungen desifo-Instituts lag der 2008 durch Umsatzsteuer-Betrug angerichteteSchaden bundesweit bei 17,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Dasentspricht einem Drittel des gesamten NRW-Haushalts, der im vergangenenJahr knapp über 50 Milliarden Euro lag.

BeimUmsatzsteuer-Karussell nutzen Betrüger den Umstand, dass Lieferungenüber die EU-Binnengrenzen nach EU-Recht umsatzsteuerfrei sind. Mit biszu 80 kunstvoll verschachtelten Unternehmen verstehen es dieStraftäter, Milliarden an Steuergeldern beinahe risikolosabzukassieren. Dabei gibt es inzwischen zahlreiche, meist extremkomplizierte Varianten von Umsatzsteuer-Karussellen. Eines derursprünglichen Modelle ist das geschlossene Karussell, das - starkvereinfacht - folgendermaßen abläuft:

Zunächstwird im Inland eine Scheinfirma gegründet, häufig in Form einer GmbH.Nennen wir diese Scheinfirma "Royal Phone" mit Sitz in Hannover.Experten bezeichnen solche Firmen als "missing Trader" (=verschwundener Händler). Der "missing Trader" (Royal Phone) kauft dannvon einer in einem anderen EU-Staat beheimateten Firma hochwertigekleine Waren wie etwa Handys oder Computerteile. Nennen wir dieseLiefer-Firma "ABC Ltd." mit Sitz in London.

ABCLtd. verkauft also 10 000 Handys zum (angenommenen) Gesamtpreis von 3,4Millionen Euro an die Royal Phone in Hannover. ABC Ltd. muss für diesenHandel in Großbritannien keine Umsatzsteuer zahlen, weil dabei eineEU-Binnengrenze überschritten wird und nach EU-Recht die Umsatz- bzw.Mehrwertsteuer erst im Land des Empfängers zu zahlen ist.

RoyalPhone wiederum verkauft die Handys an einen "Buffer" genanntenMittelsmann, nennen wir ihn "Handy KG" mit Sitz in Bonn. Dabei kann dieHandy KG durchaus eine seriöse Firma sein. Sie kauft dennoch von RoyalPhone, weil die Hannoveraner Firma die Handys zum extrem günstigenPreis von lediglich 3,06 Millionen Euro anbietet - deutlich unter ihremeigenen Einkaufspreis von 3,4 Millionen. Dabei berechnet Royal Phoneder Handy AG scheinbar korrekt auch den Umsatzsteuersatz von 19Prozent, was 581 400 Euro entspricht. Dieses Geld meldet Royal Phoneordnungsgemäß beim zuständigen Finanzamt an, muss es aber nicht sofortzahlen.

Unterdessenverkauft die Handy KG die Mobiltelefone mit einem kleinenPreisaufschlag von 20 000 Euro an den "Distributor" genannten möglichenDrahtzieher des Betruges weiter, nennen wir die Firma "Telda GmbH" mitSitz in Köln. Auch dabei wird in der Rechnung korrekt die Umsatzsteuerausgewiesen und auch bezahlt. Nun jedoch verkauft die Telda GmbH dieHandys erneut an die ABC Ltd. in London zum Preis von lediglich 3,1Millionen. Weil nun erneut eine EU-Binnengrenze überschritten wird,kann die Telda GmbH bei dem Verkauf keine Umsatzsteuer berechnen undlässt sich die zuvor an die Handy KG gezahlte Umsatzsteuer vom Staaterstatten.

Diese Erstattung erfolgtin Deutschland recht schnell, zumal Routine-Rückfragen des Finanzamtesbei der Handy KG und auch beim für die Royal Phone zuständigenFinanzamt ergeben, dass die Umsatzsteuer angemeldet ist. Doch wenn derFiskus nach in der Regel drei Monaten die von der Royal Phone zwarangegebene, aber nie gezahlte Umsatzsteuer kassieren will, ist dieFirma entweder insolvent oder gleich ganz von der Bildflächeverschwunden. In diesen drei Monaten allerdings hat sich das Karussellmit den 10.000 Handys bereits mehrfach gedreht - und entsprechend hochist der entstandene Schaden.

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