„Mr. Siemens“ und die Affäre

Heinrich von Pierer meidet die Abrechnung.

Berlin. Es war Heinrich von Pierer (69) natürlich klar, dass alle wieder nur nach der Schmiergeldaffäre fragen würden. Da breitet der langjährige Siemens-Chef sein ganzes Leben aus, trägt Anekdoten zusammen aus Kindertagen, aus der Schulzeit, von den prägenden Begegnungen mit Wirtschaftsbossen und Politikern aus aller Welt.

Und dann wollen alle doch wieder nur eines hören: Was hat er denn nun wirklich gewusst von den schwarzen Kassen bei Siemens, vom größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte?

Nichts, sagt Pierer — mehrfach und wie stets zuvor. Die Präsentation seiner Autobiografie „Gipfel-Stürme“ in Berlin ist der erste größere Auftritt seit langem, das Interesse groß, der Saal voll. Wer eine schonungslose Abrechnung erwartet hat, wird enttäuscht. Die Affäre bildet Start- und Schlusspunkt des Buches, nimmt 50 der 430 Seiten ein. „Ich habe Stellung genommen im Rahmen dessen, was ich für vertretbar halte.“

In einem laufenden Verfahren müsse jedes Wort mit Bedacht gewählt werden, zudem seien die meisten Medien ohnehin immer besser informiert gewesen als er selbst, erklärt er. „Ich hätte zu diesem ganzen Thema gar keinen neuen Beitrag leisten können.“ Dass mancher wohl mehr erwartet habe, müsse er jetzt in Kauf nehmen. Dass immer wieder die selben Fragen gestellt würden, ebenfalls. Er habe auch Verständnis dafür. Aber ob es sinnvoll sei?

Bei Siemens waren über Jahre hinweg insgesamt 1,3 Milliarden Euro an Schmiergeldern in schwarze Kassen geschleust und dafür verwendet worden, lukrative Aufträge aus dem Ausland zu bekommen. Von Pierer hat stets beteuert, nichts davon gewusst zu haben. „Es hat doch in dem ganzen Verfahren keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Leute, die diese schwarzen Kassen verwaltet haben, zum Vorstand gegangen sind“, sagt er.

Dem Vergleich mit Siemens habe er zugestimmt, um eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung zu verhindern, heißt es in dem Buch. Den Bußgeldbescheid habe er akzeptiert, um einen Schlussstrich zu ziehen. Der ehemalige Siemens-Chef und der Konzern hatten sich auf die Zahlung von fünf Millionen Euro geeinigt, wobei von Pierer eine persönliche Schuld nie eingeräumt hat.

Und nach aller Kritik an seinem früheren Arbeitgeber lässt von Pierer am Montag Milde walten. „Ich habe 38 tolle Jahre bei Siemens verbracht“, betont er. „Was meinen Abschied angeht: Den hätte ich mir anders vorgestellt.“

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