Selbstzünder im Wahlkampf Merkel greift in Dieselstreit ein

Berlin (dpa) - Der Streit über die Zukunft von Verbrennungsmotoren könnte im Herbst zu einem Knackpunkt bei Koalitionsverhandlungen werden.

Selbstzünder im Wahlkampf: Merkel greift in Dieselstreit ein
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Während die CSU einen Ausstieg als nicht verhandelbar bezeichnete, bekräftigten die Grünen, nur eine Koalition einzugehen, die das Ende dieser Technik einleite. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht das Ende der Dieseltechnik allerdings noch in weiter Ferne.

„Ein Verbot des Verbrennungsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das ist in Koalitionsgesprächen für die CSU genauso wenig verhandelbar wie Steuererhöhungen, eine Erleichterung der Zuwanderung und eine Lockerung der Sicherheitspolitik.“

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir erwiderte in den Montagsausgaben der Funke-Mediengruppe: „Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennungsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreien Verkehr schafft“. Dem „Spiegel“ zufolge sieht ein noch nicht beschlossenes Verkehrsprogramm der Grünen vor, spritfressende Dieselfahrzeuge steuerlich stärker zu belasten. Dafür soll der Kauf emissionsfreier Autos wie Elektrofahrzeuge mit 6000 Euro gefördert werden. Der Bundesvorstand solle das Programm an diesem Montag beschließen.

Doch wie lange dauert ein Ausstieg aus der Dieseltechnik? „Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre geben, genauso wie den Verbrennungsmotor“, sagte Merkel (CDU) am Sonntag im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Es hat keinen Sinn, jetzt die Menschen zu verunsichern.“ Die Brückentechnologie Verbrennungsmotor „werden wir nicht Jahre brauchen, sondern ich würde sagen: Jahrzehnte“. Mit Seehofer gebe es da „sehr viel Übereinstimmung“, sagte Merkel. In Richtung Grüne fügte sie hinzu: „Ich nehme alles Ernst, was die Mitbewerber sagen.“ Jetzt werde aber nicht um Koalitionen gekämpft. Zudem halte sie nichts davon, jeden Tag zu sagen, was man in Koalitionsvereinbarungen einbringen werde.

Merkel zufolge werden umweltfreundliche Dieselmotoren benötigt, um die Klimaschutzziele einzuhalten. Eine Jahreszahl für das Aus dieser Motorenart wollte sie nicht nennen. Zugleich müsse der Umstieg auf die Elektro- oder Wasserstoffmobilität geschafft werden. „Wir wollen am Ende dieses Jahrhunderts (...) ein Jahrhundert ohne größere CO2-Emissionen haben“, betonte sie. „Aber wir sind im Jahre 2017.“

Auch der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte, der Verbrennungsmotor werde noch lange gebraucht. Anstatt die Technologie in Bausch und Bogen zu verdammen, wäre es besser, jetzt in die Optimierung der Diesel-Technologie zu investieren. In dieser Frage seien die Union und die Grünen sehr weit voneinander entfernt. „Schlimmer kann es für Schwarz-Grün nicht kommen“, fügte er im ARD-Sommerinterview hinzu.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wandte sich am Samstag gegen ein Aus für Dieselmotoren. „Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalverschiss geraten, aber das ist nicht richtig“, sagte sie. Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sagte sie: „Das Wesen der Koalitionsverhandlungen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, da auch mit den Grünen überein zu kommen.“

Dabei geht neben der Debatte um die langfristige Zukunft von Verbrennungsmotoren auch der Streit um Nachbesserungen an Dieselfahrzeugen und die Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung in Städten weiter. Sollte sich dies nicht gelingen, drohen in zahlreichen Städten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Schulz sagte der „Passauer Neuen Presse“, er sei für Nachrüstungen, wenn sie denn tatsächlich helfen würden. „Zuvor müssen wir aber wissen, wie dies umgesetzt werden kann und wer es bezahlt“, sagte Schulz.

Die Autoindustrie wehrt sich gegen die Forderungen nach technischen Nachrüstungen. Gut drei Wochen nach dem sogenannten Dieselgipfel sei es sinnvoll, erst einmal die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen wi Software-Updates anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, sagte der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, in der „Passauer Neuen Presse“ am Wochenende.

Unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), aber auch Grüne, hatten die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen der Fahrzeuge aufgefordert. Die auf dem Dieselgipfel Anfang August vereinbarten Software-Updates reichten nicht aus, um Fahrverbote für Dieselautos in den betroffenen Städten zu vermeiden. Grundlage dafür sind Berechnungen des Umweltbundesamtes, wonach die Nachbesserung und die Umtauschprämien für ältere Diesel nicht ausreichen, um in Städten die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid spürbar zu senken.

Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zufolge geht das Amt in einem internen Papier aus dem Oktober 2016 allerdings davon aus, dass technische Umrüstungen der Autos - sofern sie überhaupt möglich sind - nicht viel im Kampf um die Luftqualität in den Städten helfen würden. Das Umweltministerium widersprach dieser Darstellung. Die Ergebnisse dieses Papiers seien überholt, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Sonntag. Das Papier beziehe sich gar nicht auf mögliche Maßnahmen durch die Autohersteller selbst.

Die aktuellen Berechnungen zeigten, dass eine technische Nachrüstung über Software-Updates hinaus sehr wohl helfen könne. Was genau gemacht werde, berate derzeit die eigens vom Dieselgipfel dafür eingesetzte Expertengruppe. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte Hendricks Forderung nach technischen Nachrüstungen. Zunächst müsse man abwarten, was die beschlossenen Maßnahmen bringen würden. Hendricks sagte den Blättern der Funke-Mediengruppe (Montag) „Dass die beim ersten Dieselgipfel vereinbarten Maßnahmen noch nicht reichen und wir über weitere Maßnahmen sprechen müssen, kann auch Herrn Seehofer nicht überraschen.“

VDA-Chef Wissmann bekräftigte, dass für die meisten Dieselfahrzeuge technische Änderungen gar nicht möglich wären. „Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendigen Tests abgenommen werden“, sagte Wissmann.

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