Merkel beim EU-Gipfel: Zurück zum Normalfall

In Deutschland ist die Kanzlerin angeschlagen, beim EU-Gipfel gibt sie sich kampfeslustig.

Brüssel. Angela Merkel ist verschnupft. Die Nase läuft, die Kanzlerin hustet vor sich hin. Ein Hilfswilliger bringt Taschentücher. "Schnief’ ich so?”, fragt Merkel. Klare Frage, klare Antwort: Ja. Politisch hingegen ist auf diesem EU-Gipfel für sie vieles besser im Lot, als man denken würde. Jedenfalls sieht das die deutsche Regierungschefin so. Sie hat erkennbar keine Lust, dem Bild von der ramponierten Ex-Könnerin gerecht zu werden, das zuletzt in der Heimat gern von ihr gezeichnet und natürlich auch den EU-Kollegen übermittelt wurde.

Sicher, auch in Europa hat es einigen Ärger gegeben, das will die Kanzlerin ja nicht leugnen. Aber dass man nicht immer bei allen lieb Kind sein könne, verstehe sich von selbst. Und ansonsten läuft es an der großen Krisenfront doch besser, als ihre Kritiker wahrhaben wollen. Wo stürmische See war, ist Land in Sicht! Richtig ist jedenfalls, dass es sich bei diesem eintägigen Palaver endlich mal wieder um einen Gipfel handelt, der nicht von "den Märkten” (Merkel: "Wer immer das im einzelnen ist”) komplett hysterisiert wurde. Am Versuch hat es nicht gefehlt. Spanien sollte der akute Notfall sein. Die Schweißspur war aber zu schwach und kam eindeutig aus Deutschland. Verdächtig. Da haben die Märkte den eigenen Gerüchten nicht getraut.

Die Staats- und Regierungschefs durften sich tatsächlich mit ihrer eigenen Tagesordnung befassen. Einige der heikelsten Streitpunkte konnten vorher zumindest partiell entschärft werden. "Europäische Wirtschaftsregierung” zum Beispiel, was immer das im einzelnen ist. Beim Besuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Anfang der Woche in Berlin hat man sich auf eine Formel verständigt, in der sich die germanische Lesart ("Koordinierung”) und die französische ("Institution”) auf halbem Wege treffen. Außerdem hat Paris zugestanden, dass man für härtere Bestrafung notorischer Schuldenmacher in der Währungsunion wohl doch, wie Merkel verlangt, die EU-Verträge ändern muss. Ein Schritt in die richtige Richtung, nun braucht man nur noch die Zustimmung weiterer 25 EU-Regierungen.

Zur Beruhigung hat auch ein kleines historisches Studium beigetragen, dem sich die Kanzlerin nach Informationen aus der deutschen Delegation soeben unterzogen hat: die Geschichte des deutsch-französischen Tandems in der EU. Ein ständiges Auf und Ab, keineswegs nur eitel Sonnenschein. Wenn es also zuletzt wieder mächtig geknirscht hat, ist das nichts anderes als der Normalfall.

Jetzt, beim Blick auf die bevorstehenden Gipfel der G-20 und G-8 , kommen ohnehin erstmal andere Kontrahenten ins Visier. Barack Obama! Stellt die Deutschen in den Senkel, weil sie zehn Milliarden sparen und damit angeblich die Binnennachfrage entscheidend schwächen. Das findet Merkel einigermaßen albern. Sie sieht aus, als hätte sie Lust, das dem US-Präsidenten auch persönlich vorzutragen...

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