Mächtige Ratingagenturen

Buchstaben entscheiden über das Schicksal von Staaten und Unternehmen.

Brüssel. Ihre Macht scheint nahezu grenzenlos: Mit Buchstabencodes entscheiden Ratingagenturen über das finanzielle Schicksal von Staaten und Unternehmen. Doch angesichts der sich verschärfenden Schulden-Krise im Euro-Raum werden sie für viele ihrer Einschätzungen von der Politik scharf attackiert.

Über 90 Prozent des Marktes teilen sich die drei in den USA beheimateten Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings. Die älteste ist mit der Gründung 1906 Standard & Poor’s (S&P). Auch Moody’s blickt auf eine lange Geschichte zurück: John Moody begann 1909 mit Bewertungen von US-Eisenbahngesellschaften. Fitch Ratings wurde 1913 gegründet.

Ratingagenturen bewerten vor allem eines: Ob ein Unternehmen oder ein Staat geliehenes Geld zurückzahlen kann — und zwar pünktlich und vollständig. Davon hängt die Bonität des Schuldners ab, also gewissermaßen sein Ansehen bei Gläubigern. In die Bewertungen fließen veröffentlichte Daten ebenso ein wie Brancheneinschätzungen. Je schlechter die Agenturen die Bonität eines Marktteilnehmers beurteilen, desto teurer und schwieriger wird es für diesen, sich am Markt Geld zu besorgen.

Die großen Profi-Benoter beziehen ihre Einkünfte mittlerweile fast ausschließlich von den Emittenten von Wertpapieren. Sie werden also von den Unternehmen oder Staaten, die Wertpapiere auf den Markt bringen, dafür bezahlt, dass sie diese bewerten. Kritiker sehen dadurch die Gefahr von Interessenkonflikten. Die Agenturen selbst weisen darauf hin, dass sie viele Ratings auch unaufgefordert erstellen, beispielsweise im Falle von Staaten.

Die Agenturen wurden 1975 aufgewertet: Die US-Börsenaufsicht SEC ernannte Moody’s, S&P und Fitch zu national anerkannten Agenturen. Die Aufnahme in den erlauchten Kreis der Bonitätsprüfer auf US-Boden gab ihnen einen Schub. Heute orientieren sich weltweit nicht nur Banken, sondern auch institutionelle Investoren sowie Aufsichtsbehörden und Notenbanken an ihren Analysen.

Die Tatsache, dass die einflussreichsten Ratingagenturen in den USA verwurzelt sind, stößt in Europa zunehmend auf Vorbehalte. Immer wieder gibt es deshalb Versuche, eine europäische Ratingagentur zu gründen. Für Kritik sorgt auch das Quasi-Monopol der großen Drei.

In der Finanzkrise wurden Ratingagenturen an den Pranger gestellt: Weil sie Ramschpapiere wie die US-Subprime-Hypothekenkredite mit Bestnoten versahen, wurde ihnen eine Mitschuld an der Krise gegeben.

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