Leyen und Weise sehen EU-Freizügigkeit entspannt

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsministerium und Bundesanstalt für Arbeit (BA) sehen mehr Chancen als Risiken in der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für viele Osteuropäer. BA-Chef Frank-Jürgen Weise rechnet mit bis zu 140 000 Zuwanderern im Jahr.

Während deutsche Arbeitnehmer Billigkonkurrenz ab 1. Mai fürchten, herrscht auf der polnischen Seite Angst vor der Abwanderung bester Köpfe. Ob es die gut ausgebildeten Arbeitnehmer aber überhaupt nach Deutschland zieht, ist fraglich.

Weise sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „In Grenzregionen zu Polen, Tschechien und Slowenien werden deutsche Arbeitnehmer sich auf schärferen Wettbewerb einstellen müssen. Zeitarbeitsfirmen aus dem Baltikum stehen bereits in den Startlöchern.“ Der BA-Chef betonte zugleich, es kämen weniger Zuwanderer, als Deutschland angesichts des Fachkräftemangels benötige. „Deutschland ist weniger attraktiv, als viele glauben. Junge, gut ausgebildete Osteuropäer gehen oft lieber nach England.“

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sieht in der Öffnung des Arbeitsmarktes keinen Anlass zur Sorge. „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die häufig beschworenen Negativ-Szenarien eintreten, im Gegenteil“, sagte die Ministerin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Ich sehe mehr Chancen als Risiken.“ Allerdings müsse „am unteren Rande des Arbeitsmarktes„ darauf geachtet werden, dass Flexibilität nicht in Ausnützen umschlage.

Die EU-Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitskräfte hält BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sogar für eine „Wachstumsspritze“ für die deutsche Wirtschaft. Alt hatte der dpa bereits vor wenigen Tagen gesagt, er rechne mit zunächst 100 000 bis 150 000 Arbeitskräften aus Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, der Slowakei sowie Estland, Lettland und Litauen.

„Gerade in einem Land mit einer sinkenden Zahl von Menschen im arbeitsfähigen Alter können wir diese Arbeitskräfte gut gebrauchen“, betonte Alt. Die Sorge, den Job an billige osteuropäische Arbeitskräfte zu verlieren, sei unbegründet. Das habe sich in Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden gezeigt: Dort können sich Osteuropäer schon lange ohne Erlaubnis eine Arbeit suchen.

Alt sieht - in Grenzen - aber auch Risiken. So könnten zuwandernde Osteuropäer ungelernten Arbeitskräften und Langzeitarbeitslosen Konkurrenz machen. Auf diese „verschärfte Wettbewerbssituation“ müssten Jobcenter und Arbeitsagenturen reagieren, indem sie Langzeitarbeitslose besser auf die Arbeitswelt vorbereiteten.

In Polen war eine schnelle Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes jahrelang gefordert worden. Wieviele Arbeitsmigranten aus Polen und anderen Ländern Mittel- und Osteuropas nun tatsächlich nach Deutschland kommen, weiß so richtig niemand. Deutschland galt seit dem 19. Jahrhundert als Hauptziel polnischer Arbeitsmigranten, bis heute nennen Polen jede Saisonarbeit im Ausland „saksy“ (Sachsen).

„Die Regierungen haben keinen Einfluss auf die Migrationsströme“, gab Polens Arbeitsministerin Jolanta Fedak vor kurzem im Parlament zu. Eine Massenauswanderung ins westliche Nachbarland werde es nicht geben, lautet der offizielle Standpunkt. So rechnet das Arbeitsministerium in Warschau mit maximal 300 000 bis 400 000 Migranten in den nächsten drei Jahren.

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