Kritik an Monti-Äußerung verschärft sich

Berlin (dpa) - Bundesregierung, Bundestag und EU-Kommission lehnen eine Schwächung der nationalen Parlamente im Kampf gegen die Eurokrise strikt ab.

Berlin und Brüssel reagierten am Montag mit Unverständnis auf den italienischen Regierungschef Mario Monti, der im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mehr Unabhängigkeit der nationalen Regierungen von ihren Parlamenten gefordert hatte.

Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) verteidigten die Mitspracherechte des Bundestages in der Europapolitik ausdrücklich als unverzichtbar. Genau diese Rechte stehen am 12. September auch bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Euro-Rettungsschirm ESM auf dem Prüfstand.

„Es ist die Auffassung der Bundeskanzlerin, dass wir in Deutschland mit dem richtigem Maß an Unterstützung durch das Parlament und dem richtigen Maß an der Beteiligung des Parlaments eigentlich immer gut gefahren sind“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Außerdem habe Karlsruhe mehrfach darauf hingewiesen, dass der Bundestag „eher mehr als weniger zu beteiligen ist“.

Lammert betonte, die Einbindung des Parlaments sei nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen unverzichtbar, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz bei den Bürgern. „Es ist in jedem Fall eher hinzunehmen, dass die Erwartungen der Märkte durch unsere Rechtsordnung und unsere Demokratie enttäuscht werden als umgekehrt unsere Rechtsordnung durch die Verselbstständigung der Märkte“, betonte er.

Monti hatte dem „Spiegel“ gesagt: „Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration.“ Er äußerte zudem die Befürchtung, die Schuldenkrise drohe das Projekt Europa zu zerstören.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: „Wir brauchen eine Stärkung, nicht Schwächung, der demokratischen Legitimation in Europa.“ Die EU-Kommission verwies auf die Rechtslage. „Die Mitgliedstaaten haben beschlossen, sich bei der Beschlussfassung und Anwendung von Finanzbeschlüssen an bestimmte Regeln zu halten“, sagte ein Sprecher in Brüssel. In einigen Staaten müssten diese von den Parlamenten gebilligt werden. „Wir respektieren vollständig die Kompetenzen der nationalen Parlamente in all diesen Prozessen.“

Für Verärgerung sorgten aber nicht nur die Äußerungen Montis, sondern auch die scharfen Töne führender CSU-Politiker in der Eurodebatte. So hatte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem EZB-Chef Mario Draghi zuletzt vorgeworfen, die Europäische Zentralbank für italienische Interessen zu missbrauchen.

Die Bundesregierung stellte sich klar hinter den Kurs der EZB. Draghi habe ganz deutlich das Primat der Politik betont, sagte Streiter. „Die Bundesregierung hat keinerlei Zweifel daran, dass alles, was die Europäische Zentralbank tut, sich im Rahmen ihres Auftrages bewegt.“

Westerwelle mahnte dringend zur Mäßigung. „Der Ton der Debatte ist sehr gefährlich. Wir müssen aufpassen, dass wir Europa nicht zerreden“, sagte der FDP-Politiker. Weder in Deutschland noch anderswo dürfe „innenpolitische Profilierungssuche“ zum Maßstab des Handelns werden. „Dafür ist die Lage in Europa zu ernst. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.“

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