Kreuzfahrt-Branche stöhnt: Viele Reisende bleiben weg

Miami/Hamburg/Berlin (dpa) - Die Tragödie auf dem italienischen Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ schreckt viele Reisende ab. Nach Branchenprimus Carnival, dem Eigner der „Costa Concordia“, vermeldete jetzt auch das weltweit zweitgrößte Kreuzfahrtunternehmen Royal Caribbean einen regelrechten Einbruch.

In Nordamerika seien die Buchungen im Vergleich zum Vorjahr um 10 bis 15 Prozent gesunken, in Europa sei der Rückgang sogar noch höher ausgefallen, teilte der US-Konzern mit. Es gebe derzeit eine große Unsicherheit, stellte Royal Carribean am Donnerstag fest. Firmenchef Richard Fain erklärte in Miami, jeder in der Branche sei am Boden zerstört. „Unsere Gedanken sind bei den Passagieren, Crewmitgliedern und Familien, die von der Tragödie heimgesucht wurden.“ Nach dem Unglück vom 13. Januar vor der italienischen Küste wurden bislang 17 Todesopfer geborgen.

Doch während die marktbeherrschenden US-Kreuzfahrtkonzerne düstere Wolken am Himmel sehen, berichteten die deutschen Reedereien Tui Cruises und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, es gebe keine Buchungsrückgänge. Beide Gesellschaften gehören zum Reisekonzern Tui. Bei Tui Cruises sitzt allerdings auch Royal Carribean zur Hälfte mit im Boot.

Die Einbrüche in Europa, von denen der US-Konzern berichtete, bestätigte Tui Cruises nicht. „Wenn wir uns die Zahlen für die aktuelle Buchungsperiode 2012 anschauen, können wir noch keine Auffälligkeiten feststellen“, sagte eine Tui-Cruises-Sprecherin in Hamburg. Allerdings würden gerade auf dem deutschen Markt viele Reisen - etwa für die Nordland-Routen nach Skandinavien - oft Monate im Voraus gebucht. „Ob sich das Unglück für die neue Saison 2013 auswirkt, können wir jetzt noch nicht absehen.“

Viele Kunden hätten sich allerdings nach den Sicherheitsvorkehrungen und Übungen zur Seenotrettung erkundigt, sagte die Sprecherin. Die Übungen würden bei Tui Cruises ab sofort immer vor dem Auslaufen der Schiffe gemacht. Üblich ist, dass sie erst auf See stattfinden.

Vollkommen ruhig sieht die Lage nach eigenen Angaben bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten aus. Es gebe es weder mehr Anfragen im Buchungscenter, noch rückläufige Buchungen, versicherte eine Sprecherin in Hamburg. Hapag-Lloyd bediene mit kleineren Schiffen allerdings auch speziell den deutschen Markt und sei daher nicht mit Unternehmen wie Carnival oder Royal Carribbean vergleichbar. Der Anteil von Stammkunden sei weitaus höher.

Die Reederei Aida, die zu Carnival gehört, teilte mit, sie könne als Tochter eines börsennotierten Konzerns dessen Mitteilung nicht weiter kommentieren. Der weltgrößte Kreuzfahrt-Konzern Carnival hatte zu Wochenbeginn von Buchungsrückgängen von rund 15 Prozent berichtet. Carnival hält rund die Hälfte am Weltmarkt. Auch die italienische Reederei „Costa Crociere“ mit dem Unglücksschiff „Costa Concordia“ gehört zum Konzern. Den größten Einbruch habe es drei Tage nach dem Unglück gegeben, hatte Carnival erklärt.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) in Berlin verwies auf ein anhaltend gutes Branchenklima - soweit sich dies wenige Wochen nach dem Unglück überhaupt schon sagen lasse: „Die Stimmung hat sich nicht grundlegend geändert“, sagte eine Sprecherin. Die Buchungen für 2012 seien überwiegend abgeschlossen. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass es eine größere Storno-Welle gibt. Was wir aus den Reisebüros hören, ist, dass die Kreuzfahrt als Reiseform weiter gut gebucht wird.“ Bei einzelnen Anbietern könne dies anders sein.

Kreuzfahrten blieben eine der sichersten Arten, Urlaub zu machen, erklärte der Verband. Nach seinen Angaben kamen weltweit zwischen 2005 und 2010 bei rund 100 Millionen beförderten Passagieren nur 16 Reisende durch Unfälle ums Leben.

Angesichts der Angst vieler Reisenden, ein Schiff zu betreten, rechnet Kreuzfahrtriese Royal Caribbean im ersten Quartal damit, dass der Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um bis zu 76 Prozent einbricht. Die hohen Spritpreise machen die Lage für die erfolgsverwöhnten Reedereien noch prekärer. Im vergangenen Jahr war der Gewinn noch deutlich gestiegen.

Allerdings geht Konzernchef Fain davon aus, dass im Laufe des Jahres - je länger das Unglück zurückliegt - die Kunden zurückkehren. Es gebe bereits eine leichte Erholung bei den Buchungen. Im Gesamtjahr rechnet Royal Carribean deshalb noch mit einem Gewinnrückgang von maximal 20 Prozent.

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