IWF fordert von Europa neue Konjunkturmaßnahmen

Washington (dpa) - Der Internationale Währungsfonds (IWF) ruft Europa und somit auch Deutschland im Kampf gegen die Schuldenkrise auf, die Konjunktur anzukurbeln.

Die „größte Priorität“ habe derzeit, „das Wachstum in den großen Volkswirtschaften nachhaltig zu erhöhen, vor allem in Europa“, heißt es in dem in Washington vorgelegten Weltwirtschaftsausblick des IWF. Kurzfristig müsse die Nachfrage gestärkt werden. Zudem solle die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen weiter senken und Krisenmaßnahmen beibehalten.

Deutschland wehrt sich aber gegen neue Wachstumsprogramme auf Pump. „Wir sehen nicht den Bedarf, (...) dass man über weitere Ausgabenerhöhungen Wachstum ankurbelt“, hieß es im Berliner Bundesfinanzministerium. Vielmehr würden weitere Strukturreformen mehr Wirtschaftswachstum ermöglichen. Beim G20-Treffen und der IWF-Frühjahrstagung Ende der Woche in Washington werde Deutschland erneut auf die G20-Verpflichtung zum Schuldenabbau verweisen.

Derweil stellte der IWF zur deutschen Wirtschaft fest, dass die Konjunktur von jüngsten Fortschritten im Kampf gegen die Schuldenkrise profitiere. Die Wachstumsprognose könne nach oben korrigiert werden, wenn auch nur leicht. Das Bruttoinlandsprodukt steige in diesem Jahr voraussichtlich um 0,6 Prozent. Das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als im Januar erwartet, aber immer noch deutlich weniger als im vergangenen Jahr geschätzt. Für 2013 geht der Fonds weiter von 1,5 Prozent Wachstum in der Bundesrepublik aus.

Das beherzte Eingreifen der Politik in Europa mit einem größeren Rettungsschirm habe rund um den Globus die Angst vor einem scharfen Abschwung mindern können, heißt es weiter. Entsprechend wurde die Prognose für die gesamte Weltkonjunktur angehoben. Im laufenden Jahr lege sie demnach um 3,5 Prozent zu - bislang war von 3,3 Prozent die Rede. Für 2013 schätzt der Fonds das Plus auf 4,1 Prozent - 0,1 Prozentpunkte mehr als zuletzt errechnet.

Es gebe aber weiterhin gewaltige Abwärtsrisiken. Die Gefahren der Verschuldung und wackeligen Finanzsysteme vor allem in Europa seien längst nicht ausgestanden. Derzeit herrsche eine Phase „angespannter Ruhe“, sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. „Man hat das Gefühl, dass die Dinge jeden Moment wieder sehr schlecht werden könnten.“ Politiker der Euro-Staaten dürften im Kampf gegen die Krise keine Pause einlegen. „Brandmauern allein können die schwierigen Haushalts-, Wettbewerbs- und Wachstumsprobleme nicht lösen.“

Trotz der gegenwärtigen Beruhigung sehen die IWF-Daten für die Eurozone immer noch düster aus. 2012 sei weiter mit einer Rezession zu rechnen, auch wenn sie „milder“ ausfalle. Die Wirtschaftsleistung schrumpfe insgesamt um 0,3 Prozent. Im Januar wurde der Rückgang noch mit 0,5 Prozent beziffert. Vor allem die hoch verschuldeten Länder Spanien und Italien hätten Probleme. Beide Volkswirtschaften müssen derzeit Rückgänge von knapp 2 Prozent verkraften. Während Spanien den Minustrend 2013 stoppen könne, gehe er in Italien zunächst weiter.

Auch Deutschland könne sich nicht zurücklehnen. „Wie die anderen in der Eurozone steht es vor seinem Anteil struktureller Reformen“, sagte der stellvertretende Leiter der IWF-Forschungsabteilung, Jörg Decressin. Der Bankensektor etwa sei noch zu sehr an den Staat gebunden.

Die Bundesregierung ihrerseits mahnte Fortschritte bei der Regulierung der Finanzmärkte an. „Die Finanzmarktregulierung darf nicht ermüden.“ Mit Blick auf den Umgang mit großen, systemrelevanten Finanzinstituten (Sifi) würden bis Ende 2012 Regeln zur Aufspaltung und Abwicklung von Firmen in Schieflage erwartet. Deutschland poche auch auf konkrete Vereinbarungen, wie im Krisenfall bei internationalen Gruppen global zusammengearbeitet werden könne.

Globale Wachstumsmotoren bleiben laut dem IWF fast ungebremst die Schwellen- und Entwicklungsländer. Der Bericht sieht für sie dieses Jahr ein Wachstum von 5,7 Prozent voraus. Die Korrektur nach oben beträgt 0,2 Prozentpunkte. 2013 legen die sie um 6,0 Prozent zu.

Deutschland hofft derweil trotz anhaltender Widerstände von Top-Wirtschaftsmächten auf eine rasche Einigung über zusätzliche Milliarden für den IWF. Aus Sicht der Bundesregierung sollte bereits auf der Frühjahrstagung eine Aufstockung der Ressourcen beschlossen werden. Damit sollte den Finanzmärkten ein entsprechend starkes Signal gesendet werden, hieß es in Berlin in Kreisen des Finanzministeriums. Auch die Bundesbank macht sich dafür stark.

Bisher sperren sich die USA und wichtige Schwellenländer wie Brasilien gegen zusätzliche IWF-Ressourcen. Die Rede ist von einer Aufstockung der „Feuerkraft“ des IWF um rund 400 Milliarden Dollar, um weltweit angeschlagenen Ländern besser helfen zu können und „Ansteckungsgefahren“ durch die Schuldenkrise zu verhindern. Die Euro-Länder haben bereits 150 Milliarden Euro als zusätzliche bilaterale Kreditlinien zugesagt, wovon 41 Milliarden Deutschland beisteuert.

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