Interview: Roger de Weck - „Quartalsergebnisse sollten verboten werden“

Roger de Weck über einen anderen Kapitalismus nach der Wirtschaftskrise.

WZ: Herr de Weck, Hand aufs Herz, haben Sie die Krise kommen sehen?

deWeck: Seit zehn Jahren misstraue ich dem Bankensystem. Wer 25 Prozent Rendite erzielen will, geht zwangsläufig unverantwortliche Risiken ein. Solange maßgebliche Banken einen Gewinn jenseits von Gut und Böse anstreben, bleibt das Finanzsystem labil und gefährdet. Schon mit einer Wachstumsrate von 1,6Prozent vervierfacht sich der Wohlstand eines Landes in einem Jahrhundert. Aber 1,6 Prozent Wachstum gilt als niedrig. Diese Messlatten sind aberwitzig.

WZ: Was ist die größere Gefahr: der unbedingte Wille zum Wachstum oder die Finanzprodukte der Banken, die keiner versteht?

deWeck: Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Sowohl die Banken als auch die Volkswirtschaften wollen einfach zu viel. Jedes Mittel ist recht, um schneller zu wachsen. Wir leben in einer widersprüchlichen Epoche. Sie hat einerseits den Gedanken der Nachhaltigkeit hervorgebracht, andererseits das Quartalsergebnis: den Zwang also, alle drei Monate ein besseres Ergebnis zu erzielen. Nachhaltigkeit ist vernünftig. Die Veröffentlichung von Quartalsergebnissen dagegen sollte verboten werden.

WZ: Wie kann man die Wirtschaft entschleunigen?

deWeck: Die Finanzwirtschaft muss streng reguliert werden. Wenn den Banken ein hohes Eigenkapital abverlangt wird, können sie die irrsinnigen Renditen gar nicht mehr anstreben. Es zwingt sie, längerfristig zu planen und bestimmte Risiken zu meiden. Auch die Bonus-Systeme für die Manager müssen langfristig angelegt sein. Der Staat kann solche Rahmenbedingungen setzen.

WZ: Diese Chance hat die Politik doch vertan, weil sie die Banken herausgekauft hat, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen.

deWeck: Wir erleben einen Machtkampf. Aber die Finanzwirtschaft hat sich derartige Exzesse geleistet, dass die Politik mittelfristig gute Chancen hat, sich durchzusetzen. Es ist eine Kernaufgabe des Staats, für eine Ordnung des Markts zu sorgen, damit Werte jenseits der Ökonomie - die ökologischen, sozialen, gesellschaftlichen oder kulturellen Werte - nicht verloren gehen. Der Markt kann das nicht leisten.

WZ: Wieso verbieten wir nicht gleich die Börse?

deWeck: Sie ist nötig zur Finanzierung vieler Unternehmen. Man kann auf die Börse nicht verzichten. Aber man kann sie straffer ordnen. Und es gibt Teile des Casinos, die man schließen sollte. Spekulation auf Nahrungsmittel etwa muss verboten werden.

WZ: Würden Sie sich als Kapitalismus-Kritiker bezeichnen?

deWeck: Nein. Ich bin Marktwirtschaftler. Mein Buch "Nach der Krise" ist eine liberale Kritik an Fehlentwicklungen des Liberalismus. Wir müssen das Gleichgewicht wieder herstellen: zwischen Staat und privater Wirtschaft, zwischen Eigennutz und Gemeinsinn. In Artikel14 des Grundgesetzes steht: Eigentum verpflichtet. Es ist die Pflicht jedes Marktwirtschaftlers, sich mit den Schwächen des eigenen Gedankenguts auseinanderzusetzen.

WZ: Wie fühlen Sie sich eigentlich derzeit, so als Schweizer?

DeWeck: Mein Land ist durch den Wind. Das Verhältnis zu wichtigen Partnern ist gestört. Die Regierung ist hilflos. Und: Das Bankgeheimnis ist tot. Aber das ist gut so.

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