Baubetriebe boomen Das Handwerk bejubelt den „Wüst-Effekt“

Düsseldorf · Die vom NRW-Verkehrsminister angestoßenen Investitionen in den Straßenbau führen zu Umsatzsprüngen. Doch Fachkräfte fehlen.

 NRW-Handwerkspräsident  Andreas Ehlert. Archivfoto: Lepke

NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert. Archivfoto: Lepke

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Nach Personen benannte Projekte wie die Hartz-Reform oder die Riester-Rente gibt es immer mal wieder. Und neuerdings ist da der „Wüst-Effekt“. Den bejubeln derzeit die Handwerker. Benannt ist er nach dem nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). „Der gibt gerade im Straßenbau so viel Geld aus, dass unsere Betriebe aus dem letzten Loch pfeifen und schon Materialengpässe auftreten“, sagt Andreas Ehlert.

Der Präsident von Handwerk.NRW, der Dachorganisation des nordrhein-westfälischen Handwerks, nennt vor Journalisten die von Straßenbauern und Maurern vermeldeten Zahlen: Während es hier bundesweit im dritten Quartal 2018 ein Umsatzplus von zwölf Prozent gab, waren es in NRW sogar 27 Prozent. Die Bauwirtschaft ist denn auch für die hervorragende Stimmung im Handwerk insgesamt verantwortlich. Der Geschäftsklimaindex, beruhend auf einer Stimmungsabfrage der Betriebe, sei auf einem historisch hohen Niveau, freut sich der Handwerkspräsident.

Dass es dem Handwerk so gut geht, hat freilich auch negative Folgen. Manch ein Kunde muss besonders lange darauf warten, bis sich ein Handwerker um seinen Auftrag kümmert. Das sieht auch Ehlert, versichert aber, dass diejenigen, die bereits Kunde bei einem Handwerksbetrieb sind, „auch bedient werden. Wenn eine Heizungsanlage defekt ist oder der Wasserhahn tropft, dann kommt der Handwerker vermutlich am selben Tag oder am nächsten Morgen“. Da müsse man nicht acht oder zwölf Wochen warten. Aber es könne schon sein, dass es für komplexe Bauvorhaben enorm lange Wartezeiten gibt. Das bedauere das Handwerk selbst auch, umso wichtiger sei es, dass das Problem des Fachkräftemangels angegangen wird. Ehlert unterstützt in diesem Zusammenhang Bemühungen auf Bundesebene zur Fachkräfteeinwanderung. „Ökonomisch nützliche Einwanderung muss besser ermöglicht und gesteuert werden.“

Für einen anderen Weg zur Gewinnung von Fachkräften bohrt das Handwerk schon seit langem dicke Bretter. Mit Imagekampagnen sollen jungen Menschen die Ausbildungsberufe schmackhaft gemacht werden. Immerhin habe die Zahl der Auszubildenden landesweit um etwa 1,5 Prozent zugenommen, sagt Ehlert. Das Angebot der Ausbildungsplätze im Handwerk sei nach wie vor größer als die Nachfrage. „Wir müssen jeden Tag neu kämpfen. Hier findet viel in den Köpfen der Eltern statt, für die das Handwerk nicht mehr die erste Idee für ihre Kinder ist.“ Da müsse die Gleichwertigkeit der Handwerksberufe mit anderen Berufsbildern verdeutlicht werden. Vielfach sei es so, dass ein Junge im Gespräch mit seinen Mitschülern in der Berufsschule besser ankommt, wenn er sagt, er arbeite in einer Rechtsanwaltskanzlei, als wenn er sagt, ich werde jetzt Bäcker.

Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung müsse auch politisch gelebt werden, fordert Ehlert. So dürfe es nicht nur ein Semesterticket für Studenten geben, sondern auch ein Azubi-Ticket für eine günstige Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung, wie sie derzeit auf Bundesebene im Gespräch ist, lehne das Handwerk aber ab.

Um die Jugendlichen auch für den Handwerksberuf fit zu machen, seien die Bemühungen von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu begrüßen, die das Thema Unterrichtsausfall und Fachlehrerversorgung auch an den Berufskollegs anpacke und das Schulfach Wirtschaft einführen wolle. Der schwarz-gelbem Landesregierung gibt der Handwerkspräsident auch sonst gute Noten. Sie habe „im Großen und Ganzen einen guten Job gemacht“ , müsse aber nun eine konsequente Strategie zur Stärkung mittelständischer Strukturen in Angriff nehmen.

Soweit es dem kontrolliert auftretenden Ehlert möglich ist, redet er sich dann aber doch bei einem Thema in Rage: den drohenden Dieselfahrverboten, die Handwerksbetriebe besonders treffen könnten. „Die unsinnigen Grenzwerte müssen vom Tisch“, fordert er. Wenn es zu Fahrverboten komme, dann „müssen ganz ganz schnell großzügige, unbürokratische Ausnahmeregelungen her“.

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