Griechenlandhilfe vor Entscheidung

Athen/Brüssel (dpa) - Woche der Entscheidung für Griechenland: In den nächsten Tagen soll das Zeugnis der Experten von IWF, EZB und EU über die Sparanstrengungen Athens vorliegen. Davon hängt ab, ob das vom Staatsbankrott bedrohte Land die nächste Hilfszahlung aus dem 110 Milliarden Euro schweren Rettungspaket erhält.

Griechenland benötigt die nächste Tranche von 12 Milliarden Euro dringend, denn seine Mittel reichen nur noch bis Mitte Juli, um den Verpflichtungen nachzukommen, Löhne und Pensionen zu zahlen. Zuletzt galt es als möglich, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Teilzahlung verweigern könnte und von der EU zusätzliche Zusagen erwartet. In Athen protestieren die Massen vor dem Parlament gegen das Sparprogramm. „Wir haben eine schwierige Lage in Griechenland“, hieß es warnend von EU-Diplomaten in Brüssel.

Die griechische Regierung versuchte am Montag, Zuversicht zu verbreiten. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sagte im griechischen Fernsehen (ANT1): „Wir werden die fünfte Rate bekommen.“

Derzeit prüfe eine Dreier-Mission des IWF, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) in Athen, wie Griechenland das vereinbarte Programm zu Sanierung des Haushalts umsetzt, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, in Berlin. Dies betreffe etwa Steuern, aber auch die von Athen zugesagten Privatisierungen von Staatsvermögen. Zudem gehe es um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands. „Wir erwarten den Bericht vermutlich gegen Ende der Woche, eventuell etwas später“, sagte Kotthaus. Für den IWF sei es erforderlich, dass das Programm auf mindestens zwölf Monate durchfinanziert sei.

Regierungssprecher Steffen Seibert gab sich zum weiteren Vorgehen zurückhaltend: Zunächst müsse abgewartet werden, was die Prüfkommission an Fakten und Analysen liefere. „Bis dahin tut es allen Beteiligten gut, nicht zu spekulieren.“ Am Wochenende hatte der „Spiegel“ berichtet, Griechenland habe alle mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Finanzziele verfehlt. Brüssel hat indes immer noch Vertrauen in Griechenland: „Wir vertrauen den Griechen. Sie haben gezeigt, dass sich zur Haushaltssanierung verpflichten“, sagte ein EU-Diplomat.

Nach Darstellung Papakonstantinous sollen die Verhandlungen mit den Experten „in den kommenden Tagen abgeschlossen werden“. Dafür müssten aber schnell harte Entscheidungen getroffen werden. In griechische Medien gab es die Vermutung, dass schon am kommenden Montag (6. Juni) in Brüssel eine Sondersitzung der Finanzminister der Eurogruppe stattfinden könnte. Von offizieller Seite wurde dies jedoch weder in Athen noch in Brüssel bestätigt.

Die EZB warnte erneut vor einer Umschuldung in Griechenland. Die Vorstellung von einer geordneten Restrukturierung griechischer Altschulden sei ein Märchen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi der „Financial Times“ (Montag). Verglichen mit der Umschuldung lateinamerikanischer Staaten in den 1980er Jahren sei die Lage in Griechenland vollkommen anders. Zudem warnte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) vor schweren Marktverwerfungen für den Fall, dass es zu einer Umschuldung Griechenlands komme.

Unterdessen steigt der Druck auf die Regierung in Athen, die Sparanstrengungen zu verstärken und alle gesellschaftlichen Kräfte für das Reformprogramm zu gewinnen. EU-Währungskommissar Olli Rehn forderte eine schnelle Einigung über die erforderlichen zusätzlichen Sparmaßnahmen. Rehn sagte der Tageszeitung „Die Welt“ (Montag): „Eine Einigung muss bald gefunden werden. Es ist keine Zeit mehr für langatmige Verhandlungen.“ Es sei „unentbehrlich“, dass jetzt alle politischen Parteien, auch die Oppositionsparteien, sich „konstruktiv“ verhielten und das von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geforderte Reformprogramm und seine Umsetzung unterstützten.

Ohne ein neues hartes Sparprogramm in Höhe von 78 Milliarden Euro kann Griechenland nicht auf die weitere Unterstützung hoffen. Einen Teil will die Regierung mit dem Verkauf von Staatsbesitz einnehmen. Der griechische Finanzminister bedauerte, dass auch „diejenigen zahlen, die es nicht sollten“, womit er die Lasten ansprach, die Arbeitnehmer und Rentner tragen müssen. Angesichts der zunehmenden Kapitalflucht versuchte Papakonstantinou zu beruhigen: Er sehe keine Gefahr, dass das Land zur alten Währung, der Drachme, zurückkehre und aus der Euro-Zone austrete.

Am Wochenende gingen erneut tausende Griechen auf die Straße, um gegen den harten Sparkurs der Regierung zu protestieren. Dazu hatte die vor allem über das Internet organisierte Bewegung der „Empörten Bürger“ aufgerufen. In Athen versammelten sich am Sonntag mehr als 40 000 Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude. Viele blieben die ganze Nacht und schlugen Zelte auf. Neue Demonstrationen waren geplant.

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