Gerichtsurteil im Fall Attac Warum die Deutsche Umwelthilfe ihre Gemeinnützigkeit nicht so leicht verliert

Düsseldorf · Das Urteil des Bundesfinanzhofs in Sachen Attac gibt Gegnern der Umwelthilfe Auftrieb. Doch die Gemeinnützigkeit der klagefreudigen Umweltschützer ist nicht unmittelbar gefährdet.

 Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die als Verein anerkannt ist und damit von Steuervorteilen profitiert.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die als Verein anerkannt ist und damit von Steuervorteilen profitiert.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ein kürzlich vom Bundesfinanzhof bekannt gemachtes Urteil befeuert die Diskussion um die wegen ihrer Klagen in Sachen Diesel-Fahrverbote bei vielen Menschen verhasste Deutsche Umwelthilfe (DUH). Wie weit diese Abneigung geht, scheint die schon von mehr als 162.000 Menschen unterzeichnete Online-Petition zu zeigen, die eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit der DUH fordern. In dem Urteil wurde einer anderen Organisation, Attac, die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Bedeutet das, dass auch die DUH nun bald ihren Status als gemeinnützige Organisation verliert und damit finanziell ausblutet?  Denn wenn Menschen, die die DUH per Spende unterstützen, dies nicht mehr steuermindernd gelten machen könnten, dürfte auch das Spendenaufkommen zurückgehen und die DUH in finanzielle Schieflage geraten. Keine Schlagkraft, keine weiteren Klagen - geht diese Rechnung auf?

Der Fall Attac

Der Bundesfinanzhof hat dem Trägerverein von Attac den Status der Gemeinnützigkeit versagt. Das Netzwerk Attac, dem sich nach eigenen Angaben international 90.000 Menschen angeschlossen haben, setzt sich für eine „ökologische, solidarische und friedliche Weltwirtschaftsordnung und eine gerechte Verteilung des Reichtums auf der Welt ein“. Es ging der Bewegung zunächst um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die mit Kampagnen geltend gemachten politischen Forderungen von Attac gehen aber darüber hinaus: Der Ruf nach einer Vermögensteuer, die Bekämpfung von Steuerflucht, eine nachhaltige Textilproduktion, Arbeitszeitverkürzung und anderes mehr. Um das für diese Kampagnen nötige Geld einzusammeln, bemühte man sich beim Finanzamt um die Bescheinigung des Status der Gemeinnützigkeit.

Das Urteil des Bundesfinanzhofs

Weil das im Falle von Attac zuständige Finanzamt diese Gemeinnützigkeit aber nicht bescheinigen wollte, ging der Streit zu Gericht. Und der Bundesfinanzhof (Az.V R 60/7) entschied nun im Sinne des Finanzamts und damit gegen Attac. Die Begründung der obersten Finanzrichter: Eine Gemeinnützigkeit unter dem Aspekt einer von Attac geleisteten politischen Bildungsarbeit (Ziffer 7: Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung) sei hier nicht gegeben. Denn Bildungsarbeit in diesem Sinne setze „ein Handeln in geistiger Offenheit“ voraus. Daher sei eine Tätigkeit, „die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, keine politische Bildungsarbeit.“

Die Kritik am Richterspruch

Ein bemerkenswerter Richterspruch. Lässt er sich doch so lesen, dass die geforderte Offenheit dazu führen muss, dass eine Organisation, die  bestimmte Ziele verfolgt, immer auch die Gegeneinwände mehr oder weniger lautstark mit ins Spiel bringen soll. Falls sie das nicht macht, muss sie finanzielle Nachteile in Kauf nehmen.

Attac mit dieser Begründung den Status der Gemeinnützigkeit zu verweigern, hält Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitbegründer von Attac Deutschland, für demokratisch bedenklich. „Wenn der Staat nur diejenigen als gemeinnützig einstuft, die vermeintlich neutral sind, wird einer kritischen Zivilgesellschaft der Boden entzogen.“ Viele gemeinnützige Vereine, die politische Bildungsarbeit machen, könnten sich ihres Status der Gemeinnützigkeit nun nicht mehr sicher sein. Das Kräfteverhältnis zwischen finanzstarken Wirtschaftsverbänden und kritischer Zivilgesellschaft werde weiter auseinander klaffen. Giegold: „Während Firmen ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen können, werden Teile der Zivilgesellschaft in finanzielle Unsicherheit getrieben.“ Eine kritische Zivilgesellschaft sei existenziell für eine lebendige Demokratie. Wer sich uneigennützig für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie einsetze, müsse als gemeinnützig anerkannt werden. Nun müsse der Gesetzgeber in dieser Frage Rechtssicherheit schaffen, fordert Giegold.

Betrifft das die Umwelthilfe?

Eine rechtliche Neuregelung fordern indes auch diejenigen, die das Urteil eher gutheißen und es am liebsten eins zu eins auf den Fall der Deutschen Umwelthilfe übertragen würden. Die CDU hatte ja bereits auf ihrem Parteitag im vergangenen Dezember gefordert, dass die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe überprüft werden solle.

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes im Fall Attac lässt sich für diese Argumentation allerdings kaum Honig saugen. Denn die DUH stützt ihre Gemeinnützigkeit gar nicht auf eine von ihr betriebene „Volksbildung“. Sie kann sich auf die ausdrücklich in Ziffer 8 als förderungswürdig anerkannten Belange des Umweltschutzes stützen. Und jedenfalls bei einem solch konkreten Ziel wird man kaum von einem Umweltverband verlangen können, dass er sich hier lediglich „neutral“ engagieren solle.  Zumal sich die DUH gerade mit rechtsstaatlichen Mitteln für ihre Ziele engagiert – mit Klagen vor den Verwaltungsgerichten.

Wollte man der DUH die Gemeinnützigkeit aberkennen, müsste man schon andere Hebel finden, um den ihr vom zuständigen Finanzamt zugestandenen Status ins Wanken zu bringen. Oder man müsste die Frage der  Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung ganz neu formulieren.

Dabei wäre dann allerdings auch zu klären, warum zum Beispiel der Bund der Steuerzahler von der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden profitiert. Auch er mischt schließlich bei der politischen Willensbildung auf vielen Feldern mit durchaus einseitigen Kampagnen mit.

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