Gericht bescheinigt Middelhoff „schuldhafte Pflichtverletzungen“

Essen (dpa) - Zwischenergebnis im juristischen Tauziehen um die Arcandor-Pleite. Das Essener Landgericht sieht bei Ex-Vorstandschef Middelhoff in einem Fall „schuldhafte Pflichtverletzungen“. Ob der Manager zahlen muss, steht aber längst nicht fest.

Knapp drei Jahre nach der Pleite des Karstadt- Mutterkonzerns Arcandor hat das Essener Landgericht Ex-Vorstandschef Thomas Middelhoff in einem von fünf Fällen eine „schuldhafte Pflichtverletzung“ bescheinigt. Middelhoff ist nach Feststellung des Gerichts „dem Grunde nach“ zum Schadenersatz (AZ: 41 O 45/10) verpflichtet. In welcher Höhe er Schadenersatz leisten muss, ist nach Rechtskraft des Urteils gesondert zu verhandeln. Middelhoffs Rechtsanwalt Winfried Holtermüller kündigte nach dem Urteil umgehend Berufung an.

Das Gericht hielt Middelhoff und drei weiteren Ex-Vorständen des Essener Handels- und Touristikunternehmens „schuldhafte Pflichtverletzungen“ beim Verkauf des Wiesbadener Karstadt-Hauses an den Oppenheim-Esch-Fonds im Jahr 2005 vor. In vier weiteren Fällen wies das Gericht am Mittwoch die Klage des Insolvenzverwalters ab.

„Es ist unklar, in welchem Umfang ein Schaden bei Arcandor entstanden ist. Eine Aufklärung dieser Frage ist sehr aufwendig und erfordert eine vermutlich mehrere Jahre dauernde Beweisaufnahme“, sagte die Vorsitzende Richterin Regina Pohlmann. Insolvenzverwalter Hans Gerd Jauch bezifferte den Schaden im Fall Wiesbaden anhand von zwei Wirtschaftsprüfer-Gutachten auf 30 bis 46 Millionen Euro. Jauch hatte Middelhoff und zehn Ex-Vorstände und Ex-Aufsichtsräte von Arcandor auf Zahlung von 175 Millionen Euro Schadenersatz verklagt.

Neben dem Verkauf der Wiesbadener Immobilie sollen dem Unternehmen auch bei den Verkäufen von vier weiteren Karstadt-Häusern wirtschaftliche Nachteile entstanden sein. In diesen vier Fällen entschied das Gericht, dass den Beklagten keine Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien. Auch die Vorwürfe gegen die Ex-Aufsichtsräte wurden zurückgewiesen.

Beim Wiesbadener Karstadt-Haus bemängelte das Gericht, dass der damalige Arcandor-Vorstand im Jahr 2005 die Übertragung des Eigentums an der Immobilie an den Oppenheim-Esch-Fonds nicht noch verhindert hatte. „Diese Verhinderung wäre rechtlich noch möglich gewesen, und das Risiko war auch noch überschaubar“, sagte Pohlmann.

Middelhoff-Anwalt Holtermüller nannte die Urteilsgründe im Fall Wiesbaden falsch. „Sie werden keinen Bestand haben“, so der Rechtsanwalt. Insolvenzverwalter Jauch wertete den Umstand, dass das Gericht schuldhafte Pflichtverletzungen erkannt habe, dagegen als „Meilenstein“. Er wisse aber auch, dass bis zu einer möglichen Zahlung noch zehn Jahre vergehen könnten.

In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht fordert der Insolvenzverwalter eine zusätzliche Millionen-Zahlung von Middelhoff und anderen ehemaligen Arcandor-Vorständen. Hintergrund dieser Klage sind unter anderem angeblich zu hohe Spesen- und Bonuszahlungen. Ein Vergleichsvorschlag des Gerichts war an einem ersten Verhandlungstag nicht akzeptiert worden. Middelhoff weist die Vorwürfe zurück.

Profitieren von einer Schadenersatzleistung würden letztlich die Arcandor-Gläubiger, die nach Auskunft von Jauch noch keinerlei Zahlungen aus der Insolvenzmasse erhalten haben. 1371 Gläubiger haben bislang allein bei Arcandor Forderungen von bislang mehr als 17 Milliarden Euro angemeldet. Hoffen können sie dabei jedoch lediglich auf Zahlung einer Quote, die sich „im Promillebereich“ ihrer angemeldeten Forderungen bewegt.

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