Stellenabbau Fusion von Siemens und Bombardier: Warum Krefelds Bahnbauer Angst haben

Eine Fusion der Bahnsparten von Siemens und Bombardier könnte Tausende Stellen kosten, ebenso wie eine Verlagerung nach Osteuropa.

Stellenabbau: Fusion von Siemens und Bombardier: Warum Krefelds Bahnbauer Angst haben
Foto: Andreas Bischof

Krefeld/München. Wer bei Siemens nachfragt, kommt in der Sache nicht weiter. Zu Gerüchten gebe das Unternehmen grundsätzlich keinen Kommentar ab, heißt es aus der Pressestelle. Insider berichten dagegen, dass die Gespräche schon seit Monaten laufen. Es geht darum, die Bahnsparten von Siemens und vom kanadischen Bombardier-Konzern zu fusionieren. Da beide Unternehmen in ähnlichen Märkten unterwegs sind, droht bei der Verschmelzung ein heftiger Personalabbau.

Nicht nur deshalb haben die Beschäftigten im Krefelder Siemens-Werk ein wachsames Auge auf die Entwicklung. Erst vor vier Wochen hatte der Konzern angekündigt, in Krefeld 300 von rund 2500 Stellen abbauen zu wollen. Grund: Die Fertigung sei zu teuer. Siemens habe deshalb wichtige Aufträge verloren.

Betriebsrat und Gewerkschaft widersprechen dieser Darstellung. „Krefeld ist das modernste und produktivste Werk weltweit mit einer optimalen Prozesslandschaft“, sagt Ralf Claessen, Chef der IG Metall in Krefeld.

Das sieht die Konzernzentrale anders. Die Konkurrenz habe durch die Verlagerung von Wertschöpfung in Länder mit niedrigerem Lohnniveau einen signifikanten Preisvorteil erzielt. Das sei auch ein Teil des Siemens-Weges. Konkret heißt das: Ein Zulieferbetrieb in Serbien soll noch mehr machen als bisher. Unter den Beschäftigten in Krefeld geht die Angst um, dass diese Strategie Schule machen könnte.

Zumal nicht nur Siemens, sondern alle Zugbauer in Europa mächtig unter Druck stehen. Sie zittern vor der Konkurrenz aus China. Dort haben sich die beiden größten Anbieter zum neuen Giganten China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) zusammengetan. Das Unternehmen bringt es auf mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz und erreicht schon jetzt einen Weltmarktanteil von fast 50 Prozent.

CRRC verkauft seine Bahntechnik nicht nur in China, sondern ist auch in Schwellenländern Südostasiens und im Nahen Osten erfolgreich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Chinesen auch in Europa zum Angriff blasen.

Vor diesem Hintergrund sperren sich auch die Arbeitnehmervertreter nicht grundsätzlich gegen Fusionsgespräche. Da aber in Europa mit Siemens, Bombardier und Alstom (Frankreich) nur drei Anbieter den Markt beherrschen, steht das Kartellrecht einem Zusammenschluss entgegen. Siemens macht keinen Hehl daraus, dass man diese juristischen Fesseln für nicht mehr zeitgemäß hält. „Eine weitere Konsolidierung des Marktes wird seit langem erwartet und sollte auch kartellrechtlich mit einer globalen Sicht auf die Veränderungen betrachtet werden“, sagte Finanzchef Ralf Thomas.

Es spricht viel dafür, dass die Politik dieser Haltung folgt und den Weg für Fusionen freimacht, damit es auch morgen in Europa noch wettbewerbsfähige Bahnbauer gibt. Käme es zur Verschmelzung der Zugsparten von Siemens und Bombardier, wären die Münchner der deutlich stärkere Partner und dürften die industrielle Führung übernehmen. Die Bahntechnik von Siemens erzielte im Geschäftsjahr 2015/16 mit 27 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 7,8 Milliarden Euro und erreichte vor Steuern und Zinsen eine Gewinnmarge von 8,7 Prozent. Die Zugsparte von Bombardier ist ähnlich groß, verdient aber deutlich weniger Geld. In Deutschland sollen deshalb von 8500 Beschäftigten rund 2500 ihren Arbeitsplatz verlieren. Morgen tagt der Bombardier-Aufsichtsrat, um das Konzept zu beschließen. Insider sind sicher, dass damit die Fusion deutlich näher rückt.

Dass sich daraus eine Gefahr für das Siemens-Werk Krefeld ergeben könnte, hält die IG Metall dann für möglich, „wenn politische Standortentscheidungen fallen“. Konkret: Wenn im Vorfeld der Fusion schon Tausende Bombardier-Beschäftigte ihre Arbeit verloren haben, könnte der politische Druck groß sein, auch Siemens-Standorte in Deutschland zu verkleinern.

Noch größer dürfte allerdings die Gefahr sein, durch die Verlagerung von Teilen der Fertigung nach Osteuropa den Job zu verlieren. In Krefeld ist die Sorge groß, dass der geplante Abbau von 300 Stellen nur der Anfang der Auszehrung sein könnte. Zwar sind betriebsbedingte Kündigungen derzeit ausgeschlossen. Aber angesichts fehlender Folgeaufträge wächst der Druck auf die Belegschaft — mit oder ohne Fusion.

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