Forscher: Zuwanderung tut der Wirtschaft gut

Berlin (dpa) - Wie viele Einwanderer verträgt Deutschland? Eine ganze Menge - nach Ansicht von Ökonomen kommen eher noch zu wenige.

Forscher: Zuwanderung tut der Wirtschaft gut
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Axel Plünnecke, Experte für Bildung und Zuwanderung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, illustriert das so: 13,4 Millionen Menschen werden hierzulande bis zum Jahr 2035 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Aber nur 7,2 Millionen heutige Kinder und Jugendliche stehen bereit, um diese Stellen zu übernehmen. Das ergibt eine riesige Lücke von 6,2 Millionen fehlenden Arbeitskräften.

Die zentrale Botschaft der Frühjahrstagung des arbeitgebernahen IW lautet denn auch: Zuwanderung tut Deutschland gut. Angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung sind Einwanderer sogar unentbehrlich. Sofern ihre Qualifikation stimmt, lassen sie die Privatwirtschaft schneller wachsen und entlasten den Staatshaushalt.

IW-Direktor Michael Hüther fordert sogar, die im Aufenthaltsgesetz als Ziel genannte „Begrenzung“ des Zuzugs von Ausländern zu streichen. Anders als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) glaube er auch nicht, dass ein „Zuwanderungs-Marketing“ als Programm ausreiche, tadelt der Wirtschaftswissenschaftler die Bundesregierung.

Hüther plädiert vielmehr dafür, Hürden in der Verwaltung abzubauen. Willkommenszentren wie in Hamburg, Berlin und Frankfurt, die Zuwanderern zur Seite stehen und Formalitäten erledigten, seien noch die Ausnahme.

Auch wenn in den Gesetzen in jüngster Zeit einiges verbessert worden sei: „Das komplizierte und wenig transparente Zuwanderungsrecht ist am Ende eine Belastung“, betont der IW-Chef. Es schrecke noch zu oft diejenigen ab, auf die die Unternehmen eigentlich angewiesen seien.

So stieg die Zahl der hoch qualifizierten Zuwanderer von außerhalb der EU im vorigen Jahr nur leicht. Knapp 12 000 Ausländer erhielten nach Angaben des zuständigen Bundesamts die sogenannte Blue Card.

Einwanderer würden nach ihrem Status einsortiert und entsprechend behandelt nach Kriterien wie Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familiennachzug oder humanitären Gründen. Aus der am Anfang jeweils zugewiesenen Gruppe komme der Einzelne aber nur schwer wieder heraus: „Es gibt keine Dynamik zwischen diesen Systemen“, kritisiert Hüther.

Am besten klappe es noch mit den Universitäten. „Die Zuwanderung über die Hochschulen ist fast ein Königsweg“, sagt IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös. Viele der dort Ausgebildeten blieben in Deutschland. Sie hätten nach dem Abschluss inzwischen auch 18 Monate Zeit, um sich einen Job zu suchen. In der dualen Ausbildung gebe es dagegen eine Lücke, die sich bislang nicht mit jungen Leuten aus dem Ausland schließen lasse.

Trotz allem lag die Zuwanderung in Deutschland im vergangenen Jahr netto bei rund 500 000 Menschen. 2015 könnten es angesichts einer steigenden Zahl von Flüchtlingen mehr werden.

Für Klös ist das kein Grund zur Sorge. Er weist auf das Beispiel Kanada hin, das jährlich bis zu ein Prozent seiner Bevölkerung als Einwanderer aufnehme, ohne dass dies zu Verwerfungen in der Gesellschaft führe. „Bezogen auf Deutschland wären das 800 000“, rechnet er vor. Daran könne man sehen, dass es noch Spielraum gebe.

Voraussetzung sei aber eine vernünftige Steuerung wie eben in Kanada. Dort gibt es schon seit 50 Jahren ein - mehrmals verändertes - Punktesystem, nach dem jeder Einwanderer eingestuft wird. Für Sprach- und Fachkenntnisse gibt es dabei die meisten Punkte.

Ein solches Programm könnte auch für Deutschland das Richtige sein, meint Hüther. Die Qualifikation der Zuwanderer ist auch so schon gestiegen: 23 Prozent der Neuzuwanderer, die zuletzt ins Land kamen, waren Fach- und Führungskräfte. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil lediglich bei 12 Prozent.

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