Flexible Arbeitszeit kann ausufern

Die neue DGB-Landeschefin Anja Weber sieht bisher vor allem die Firmen als Profiteure von flexibler Arbeitszeit. Arbeitnehmer müssten geschützt werden.

Flexible Arbeitszeit kann ausufern
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Düsseldorf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Nordrhein-Westfalen will die Arbeitszeitdebatte zu einem Schwerpunktthema machen. Die neue NRW-Vorsitzende Anja Weber hat dazu am Dienstag erstmals einen Arbeitszeitreport vorgelegt. Quintessenz: Bisher sei der Zuwachs an Flexibilität vor allem den Unternehmen zugute gekommen. Arbeitnehmer fühlten sich angesichts von Überstunden, der Erwartung ständiger Erreichbarkeit und wachsender Arbeitsverdichtung oft ohnmächtig.

Der Arbeitszeitreport basiert auf einer Sonderauswertung der bundesweiten und repräsentativen DGB-Befragung „Gute Arbeit“ aus dem vergangenen Jahr. Für den NRW-Report wurden die telefonischen Aussagen von 798 Beschäftigten aus allen Branchen, Einkommens- und Altersgruppen zu Arbeitszeitfragen herangezogen. Fast die Hälfte der Beschäftigten in NRW gibt an, regelmäßig Überstunden zu machen. Jeder Fünfte erhält dafür weder finanziellen noch Freizeitausgleich. Und für 21 Prozent der Beschäftigten gilt auch, dass sie in ihrer Freizeit sehr häufig oder oft erreichbar sein müssen. Diese Anforderung wächst mit der Qualifizierung. Bei Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss ist laut Gewerkschaft nahezu jeder Dritte ständig erreichbar.

Das Arbeiten zu Hause, so Anja Weber, könne zwar zur Entlastung der Beschäftigten beitragen. „Das gilt allerdings nur, wenn es sich der von zu Hause geleisteten Arbeit um reguläre Arbeitszeit und nicht um Überstunden handelt.“ Aber laut dem Report nehmen vor allem diejenigen Arbeit mit nach Hause, die auch regelmäßig Überstunden machen.

Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe es Fortschritte gegeben, räumte Weber mit Hinweis auf das Elternzeitgesetz ein. Sie forderte von der künftigen Bundesregierung aber ein, dass nun auch das Rückkehrrecht von Teilzeit- zu Vollzeitbeschäftigung folgen müsse. „Bislang laufen vor allem Frauen sonst in die Teilzeitfalle.“ Auch müsse das Arbeitszeitgesetz erhalten bleiben.

Wie die Landesregierung sich in der Arbeitszeitfrage verhalte, ist für Weber noch nicht ausgemacht. „Bei der Tarifbindung gibt es eine gute Zusammenarbeit.“ Aber das NRW-Arbeitsministerium allein könne es nicht richten. In den Entfesselungsgesetzen sieht sie dagegen einen „falschen Akzent“: Es sei nicht notwendig, den Kapitalismus zu entfesseln, sondern zu gestalten — „mit einem Schutzschirm für Arbeitnehmer und staatlichen Rahmenbedingungen“. Auch bei der Streitfrage des Sonntagsschutzes forderte die DGB-Chefin, alle Beteiligten in Nordrhein-Westfalen an einen Tisch zu holen. Alle Seiten müssten kompromissbereit sein, um zu verhindern, dass die Sonntagsöffnung immer wieder vor den Gerichten ausgefochten werde.

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