Vor dem Gerichtsurteil Fahrverbote verhindern, aber wie? Städtetag fordert blaue Plakette

Der Geschäftsführer des Deutschen Städtetags Dedy kritisiert die Haltung der Politik. Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am Donnerstag über Fahrverbote für Diesel-Pkw.

 Städtetag fordert blaue Plakette. (Symbolbild)

Städtetag fordert blaue Plakette. (Symbolbild)

Foto: dpa

Düsseldorf. Angesichts drohender Fahrverbote für viele Diesel-Pkw appelliert der Deutsche Städtetag an die künftige Bundesregierung, eine blaue Plakette einzuführen. „Ich sehe dazu keine Alternative“, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Helmut Dedy, im Gespräch mit dieser Zeitung. Nur mit blauen Plaketten sei es möglich, neben Autos mit schadstoffarmen Benzinmotoren auch relativ saubere Diesel-Pkw zu kennzeichnen.

Die Bundesregierung lehnt eine blaue Plakette bisher ab. Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) sagte, eine solche bedeute „nichts anderes als die kalte Enteignung von Millionen Diesel-Besitzern“. Auch im Koalitionsvertrag oder in den Vorschlägen der Bundesregierung zur Verbesserung der Luftqualität spielt die Plakette keine Rolle. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am Donnerstag über die Frage, ob Fahrverbote für Dieselautos rechtlich zulässig sind.

In vielen Städten wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) nicht eingehalten. Diesel-Pkw werden für mehr als 70 Prozent der NO2-Belastung verantwortlich gemacht. Es ist durchaus möglich, dass bereits am Donnerstag ein Urteil fällt. Stickoxide sind Gase, die in höherer Konzentration giftig sind. Sie können Atemwege und Augen reizen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenprobleme auslösen. Der seit 2010 gültige EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahres-Mittel wird in rund 70 Städten überschritten — am stärksten in München, Stuttgart, Köln und Düsseldorf.


Konkret geht es in Leipzig um die Luftreinhaltepläne von Düsseldorf und Stuttgart. Die dortigen Verwaltungsgerichte hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Pläne so zu verschärfen, dass die Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden. Das Stuttgarter Gericht nannte Fahrverbote dabei die „effektivste“ Maßnahme. Das Düsseldorfer Gericht urteilte, Fahrverbote für Dieselautos müssten „ernstlich geprüft“ werden.

Sollte Leipzig Fahrverbote für zulässig erklären, hätte dies deutschlandweite Signalwirkung. Die Entscheidung über solche Beschränkungen fällt aber in den betroffenen Städten. Ähnlich wie bei den Umweltzonen wäre eine Begrenzung der Fahrverbote auf bestimmte Stadtbezirke denkbar.

Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte von der Universität Duisburg-Essen, hält es für möglich, Fahrverbote zu vermeiden. Notwendig sei eine konsequente Hardware-Umrüstung bei den betroffenen Autos. Dudenhöffer schlägt vor, dass die Halter der Diesel-Pkw aus Steuermitteln einen Gutschein in Höhe von 2000 Euro erhalten, wenn sie ihr Fahrzeug nachrüsten oder verschrotten.

Die Kosten beziffert er bei zehn Millionen Autos auf rund 20 Milliarden Euro. Um das bezahlen zu können, sollte die Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff entfallen. Das brächte knapp zehn Milliarden Euro im Jahr. Gleichzeitig könnte die Kfz-Steuer für Diesel-Pkw auf das Niveau der Benzinautos gesenkt werden. Unter dem Strich blieben dem Staat Steuermehreinnahmen von acht Milliarden Euro im Jahr. Damit ließe sich die Umrüstung in zweieinhalb Jahren finanzieren.

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