Meinung Fahrverbote helfen nicht, nur eine Verkehrswende

Meinung · Fahrverbote in Städten bringen nichts stellten Experten fest. Ob die Verwaltungsgerichte in diesem Land angesichts dieses Votums weiter an Fahrverboten festhalten, ist zumindest sehr zweifelhaft

 Die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina empfiehlt eine bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung und eine nachhaltige Verkehrswende.

Die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina empfiehlt eine bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung und eine nachhaltige Verkehrswende.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Im Januar war die Aufregung groß. Eine kleine Gruppe von 107 Lungenärzten erklärte die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub für unsinnig und schien damit der ganzen Debatte um schlechte Luft und Fahrverbote den Boden zu entziehen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sprang sofort auf den Zug auf und lobte die neuen „Fakten“. Das hätte der forsche CSU-Mann besser gelassen, denn die Lungenärzte hatten mit falschen Zahlen hantiert.

Solche handwerklichen Fehler unterlaufen der Wissenschaftsakademie Leopoldina vermutlich nicht. Die Experten aus zwölf Fachgebieten haben am Dienstag ihre Stellungnahme zur Luftreinhaltung in Deutschland vorgelegt. Ergebnis: Fahrverbote in Städten bringen nichts, weil sie zu kleinteilig sind und die Belastung der Luft mit Schadstoffen nicht nachhaltig senken. Ob die Verwaltungsgerichte in diesem Land angesichts dieses Votums weiter an Fahrverboten festhalten, ist zumindest sehr zweifelhaft

 Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Als Rechtfertigung für das Nichtstun der Politik taugt die Studie aber nicht. Ganz im Gegenteil: Die Wissenschaftler mahnen eine grundlegende Verkehrswende an, wollen die individuelle Mobilität zurückdrängen. Sie fordern Dinge, die insbesondere Scheuer verhindern will: Höhere Kraftstoffpreise, höhere Steuern und Abgaben für Autos und den viel stärkeren Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Sowohl Stickoxide als auch Feinstaub seien für die Gesundheit ein ernstes Problem. Sie können nach Einschätzung der Wissenschaftler Atemwegserkrankungen auslösen, Feinstaub zudem Herz-Kreislaufprobleme, Diabetes oder auch Lungenkrebs verursachen. Am Grenzwert für Stickoxide sollte festgehalten, der Grenzwert für Feinstaub sogar noch verschärft werden.

Spannend ist, dass sich die Wissenschaftler klar zu Diesel- und Benzinmotoren positionieren. Sie warnen davor, die Dieselflotte durch Benziner zu ersetzen, weil das zu höheren CO2-Emissionen führe. Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen seien der bessere Weg, um die Diesel-Pkw und damit die Luft sauberer zu machen. Gleichzeitig stellt die Studie modernen Benzinmotoren mit Direkteinspritzung ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Durch den Verbrennungsprozess entstehen sehr kleine Feinstaubpartikel, die Krebs auslösen können. Verhindern lassen sich diese Emissionen durch Partikelfilter, die in Deutschland aber erst seit September 2018 für neu zugelassene Wagen verpflichtend sind. Das heißt: Bei Millionen Benzinern mit Direkteinspritzung wäre eine verpflichtende Filter-Nachrüstung ebenso sinnvoll wie bei den Diesel-Pkw. Wetten, dass sich die Politik das nicht traut?

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