EZB kauft doch wieder Staatsanleihen

Frankfurt/Main (dpa) - Im Kampf gegen die europäische Schulden-Epidemie kauft die Europäische Zentralbank doch wieder Staatsanleihen von Krisenländern.

Die Entscheidung sei mit großer Mehrheit, aber nicht einstimmig gefallen, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Die EZB hatte den Aufkauf von Staatsanleihen vor mehreren Monaten unterbrochen. Den Leitzins beließ die EZB wie erwartet bei 1,5 Prozent. Der Ausverkauf an den internationalen Aktienmärkten nimmt immer dramatischere Züge an.

Ungebremst stürzte der deutsche Leitindex Dax am Donnerstagnachmittag auf 6391 Punkte, den niedrigsten Stand seit Mitte Oktober 2010. Der Dax schloss bei 6414 Punkten, das war über drei Prozent schwächer. „Jetzt brechen die letzten Dämme“, kommentierten Börsianer den Kursrutsch unter das März-Tief nach der Japan-Katastrophe. Der Dax war damit den siebten Tag in Folge im Abwärtstrend. Der europäische EuroStoxx 50 sackte um weitere 3,28 Prozent auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. In den USA verlor der Dow Jones Index rund zweieinhalb Prozent.

Der EZB-Rat beschloss den Kauf weiterer Staatsanleihen, nachdem die Schuldenländer Spanien und vor allem Italien in den Fokus geraten waren. Die Länder mussten in den vergangenen Tagen dramatisch hohe Risikoaufschläge für ihre Staatsanleihen zahlen. Die Zentralbank hatte in der Vergangenheit bereits massenhaft griechische, irische und portugiesische Staatspapiere gekauft. In den letzten Monaten ruhte der Aufkauf. Die Notenbank sitzt bereits auf Staatsanleihen im Gesamtwert von 74 Milliarden Euro.

Der Kurs des Euro sackte nach dem Zinsentscheid der EZB deutlich unter die Marke von 1,42 US-Dollar. Zuletzt stand er bei 1,4152 US-Dollar, rund zwei Cent tiefer als am Vorabend. Devisenfachmann Volker Weber vom Bankhaus M.M.Warburg sagte, die Unsicherheit an den Märkten sei nach wie vor sehr hoch.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso biss in Berlin mit seinem Vorschlag auf Granit, den inzwischen 440 Milliarden Euro schweren Krisenfonds EFSF weiter aufzustocken. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten forderte Barroso die Regierungen zu einer „raschen Überprüfung aller Elemente des EFSF“ auf: Die Regierungen müssten sicherstellen, dass der Fonds „über die Mittel verfügt, um Ansteckungsgefahren zu bekämpfen“.

Eine Sprecherin Barrosos sagte dazu, mit „allen Elementen“ sei auch die Finanzausstattung des bisher über ein Volumen von 440 Milliarden Euro verfügenden Krisenfonds gemeint. „Wir müssen überlegen, wie wir die Effizienz des EFSF und des (ab 2013 an dessen Stelle tretenden) ESM weiter verbessern können, um die derzeitige Ansteckung zu bekämpfen“, schrieb Barroso. Keine Gegenliebe fand der Vorstoß in Berlin: Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wies die Idee Barrosos zurück und warnte davor, eine Debatte aus der Zeit vor dem Krisengipfel neu zu beleben.

Das Durchschnaufen an den Aktienmärkten fiel kurz aus: Nach einem Zwischenhoch am Vormittag stürzte der Dax am Nachmittag deutlich unter 6400 Punkte - den tiefsten Stand des Jahres. Es war der siebte Handelstag mit Verlusten in Folge. Kursaufschläge gab es nur für Adidas und Beiersdorf, die Zwischenbilanzen vorgelegt hatten.

Am Vormittag hatte die japanische Notenbank aufhorchen lassen: Sie kündigte Yen-Verkäufe in großem Stil an, um den Kurs der heimischen Währung zu drücken. Die Exportwirtschaft des Landes leidet seit Monaten unter der Yen-Stärke gegenüber dem Dollar.

Die Rendite der zuletzt stark unter Druck geratenen italienischen Staatsanleihen wieder knapp unter die Marke von sechs Prozent. Die mit Spannung erwartete Rede von Regierungschef Silvio Berlusconi zum Sparpaket stieß allerdings auf ein verhaltenes bis negatives Echo. Das Euro-Krisenland Spanien schaffte am Donnerstag trotz der jüngsten Finanzmarkt-Verwerfungen eine vergleichsweise erfolgreiche Auktion bei seinen Staatsanleihen - allerdings zu den höchsten Preisen seit drei Jahren.

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