Experte: Etliche Firmen geben Parkett-Handel auf

Frankfurt (dpa) - Der Börsen-Boom ist vorbei, und immer mehr Firmen spielen mit dem Gedanken, den Aktienhandel aufzugeben. Davon geht zumindest Finanzexperte Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management aus.

„Für viele Unternehmen ist es in absehbarer Zeit extrem attraktiv, vom Parkett zu verschwinden“, sagte Schalast in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Für diesen Börsenausstieg geben zurzeit die Gerichte die Regeln vor. Das Bundesverfassungsgericht wird sich am kommenden Dienstag in Karlsruhe mit dem Problem beschäftigen.

In der Wirtschaftskrise sind viele Aktien in den Keller gerutscht. Aber: „Etliche Unternehmen sind mehr wert, als ihr aktueller Aktienkurs widerspiegelt“, sagte Schalast. Gerade für kleinere Unternehmen lohne es sich zudem nicht mehr, den Verwaltungsaufwand und die Kosten einer Börsennotierung auf sich zu nehmen, erläuterte der Finanzexperte. „Deshalb wird es einen Trend weg von der Börse geben“.

Dieser Abschied vom Parkett - das sogenannte Delisting - hat für Schalast schwerwiegende Folgen für die Aktionäre: Sie müssen ihre Aktien verkaufen zu einem Preis, den lange Zeit allein die Unternehmen diktierten. „Das ist schlicht und einfach ungerecht, da brauchen wir klare Regularien“, sagte der Börsenexperte. „Das Gesetz gibt dazu aber nichts her.“

Deshalb erarbeiten Gerichte entsprechende Regelungen. So urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) 2002 im „Macrotron-Verfahren“ zugunsten der Kleinanleger. Zudem legte er klare Kriterien für das Delisting fest: Erst wenn die Hauptversammlung zustimmt und das Unternehmen oder der Mehrheitsaktionär dem Kleinanleger ein Angebot zum Rückkauf der Aktien unterbreitet, sind die Voraussetzungen erfüllt. „Streitig ist immer die Höhe des Pflichtangebots“, sagte Schalast. „Deshalb ist die unabhängige Überprüfung so wichtig.“

Nach seiner Einschätzung haben die Bundesrichter „wirklich klug“ entschieden. „Sie haben Hürden geschaffen, die den normalen Aktionär nicht im Regen stehen lassen.“

Das sieht der Aktienrechtler Benedikt Gillessen von der Kanzlei White & Case in Frankfurt etwas anders. „Der BGH hat die Tendenz, den Anlegerschutz hoch zu hängen, vergisst aber, dass sich börsennotierte Unternehmen im internationalen Kapitalmarkt bewegen.“ Gillessen fürchtet, dass deutsche Unternehmen an die Börsen anderer Länder abwandern, wenn die Regularien hierzulande zu streng werden. „Das schadet dem deutschen Anleger ebenso wie dem deutschen Kapitalmarkt“.

Das Bundesverfassungsgericht muss jetzt entscheiden, ob die Vorgaben des BGH Bestand haben. Am kommenden Dienstag verhandelt der Erste Senat in Karlsruhe unter anderem die Frage, ob das Delisting wirklich die Eigentumsrechte der Kleinaktionäre verletzt. „Das ist nicht ganz unproblematisch“, meinte Schalast, „die Grundrechte gelten eigentlich nur zwischen dem Staat und seinen Bürgern“. Er geht dennoch davon aus, dass die Verfassungshüter das BGH-Urteil bestätigen werden. Das Urteil wird vermutlich zur Jahresmitte fallen.

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