Wirtschaft Erdgas als Brücke zur CO2-neutralen Energie

Der fossile Brennstoff wird in Verbindung mit Biomethan noch lange gebraucht, glauben die Experten auf der „E-World Energy & Water“.

Wirtschaft: Erdgas als Brücke zur CO2-neutralen Energie
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Essen. Man könnte fast meinen, in der Energiewirtschaft sei schon alles nachhaltig, effizient, klimafreundlich. In der Halle 3 von Europas größtem Branchentreffen „E-World Energy & Water“ in Essen, das heute endet, hat die Zukunft jedenfalls längst begonnen. „Wind — Motor der Zukunft“, „Null CO2, null Risiko“, das Schwerpunktthema „Smart City“ als Sinnbild für die in allen Energiefragen vernetzten Ballungsräume.

An der fossilen Energie will sich niemand mehr die Finger schmutzig machen. So gesehen scheint auch Erdgas ein Energieträger von gestern zu sein. Aber jenseits des dichten Gedränges an den Messeständen fällt in den Konferenzräumen mit den Fachvorträgen anders als bei der Kohle im Zusammenhang mit Erdgas bemerkenswert häufig auch das Wort „Zukunft“ .

Als Jean-Baptiste Dubreuil von der Internationalen Energieagentur im Saal „Berlin“ über die weltweiten Perspektiven von Erdgas spricht, nennt er es „das geringere Übel“. Auch wenn die 100-prozentig CO2-neutrale Energieversorgung das Ziel sei, „wir brauchen eine Brückentechnologie“. Erdgas sei daher eine wichtige Unterstützung.

Dubreuils Prognose für die weltweite Marktentwicklung: Vor allem durch die frackingbedingte enorme Produktionssteigerung in den USA werde es in den nächsten Jahren eine gute Versorgungslage geben. Im Gegensatz zur größeren Nachfrage aus Asien werde der Bedarf in Europa bis 2040 um 20 Prozent sinken. Aber als Reserveenergie sei Erdgas auch hier weiter wichtig „und wird sich lohnen“.

Clement Johan Ulrichsen hat noch eine ganz andere Vision. Der Däne vertritt die europäische „Green Gas Initiative“. Dänemark will in diesem Jahr schon zehn Prozent seiner Gasversorgung über Biomethan decken. Und bis 2035 könnte der skandinavische Staat seinen Gasbedarf komplett mit Biogas bestreiten. „Aber wir brauchen einen großen europäischen Biomethan-Markt.“ Sonst gebe es zu wenige Liquidität, um zu wachsen. Biogas helfe schließlich auch, Gas im Verkehrsmarkt voranzutreiben. „Busse, Lkws, Fähren — wir sehen da ein großes Potenzial.“

Wenn Biomethan der Eisbrecher wäre, um Verbraucher endlich stärker von Erdgasautos zu überzeugen, wäre Jasper Kammeyer vom VW-Konzern hochzufrieden. Es hat schon etwas unfreiwillig Komisches, als der Manager aus dem Konzern des Dieselbetrugs Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe zitiert, um zu belegen, dass schon fossiles Methan im Verbrennungsmotor 25 Prozent weniger Kohlendioxid ausstößt als Benziner oder Diesel. Mit einem wachsenden Anteil von Biomethan würden Gasautos immer klimaneutraler. „Und damit ist der Gasantrieb auch langfristig konkurrenzfähig mit der E-Mobilität.“

Der Volkswagen-Konzern hat im vergangenen Jahr eine gemeinsame Kampagne mit der Gaswirtschaft zur Forcierung der CNG-Fahrzeuge gestartet. Bisher verhielt sich der Markt ein bisschen wie in der Geschichte von der Henne und dem Ei: Die Automobilwirtschaft forderte einen besseren Ausbau des Gastankstellennetzes, um den Absatz anzukurbeln. Die Gaswirtschaft wollte zunächst mehr Autos im Markt sehen, damit sich neue Tankstellen auch rentieren. Jetzt soll es einen Gleichmarsch geben: Bis 2025 will die Autobranche die derzeit knapp 100 000 CNG-Autos auf eine Million steigern. Gleichzeitig soll das Tankstellennetz von aktuell 900 auf 2000 wachsen.

Der Steuervorteil für CNG (Compressed Natural Gas) gilt noch bis Ende 2026. Und VW kündigt an, die ohnehin im Vergleich zur Konkurrenz schon große Gasflotte noch auszubauen. Immerhin: Seit Sommer 2017 sind deutlich wachsende Absatzzahlen zu verzeichnen. „Aber das ist noch ein Wachstum auf niedrigem Niveau.“

Kammeyer stellt weitere Technologiesprünge in der Gasantriebstechnik in Aussicht. Auch soll der begleitende Benzintank kleiner werden, um eine weitere Gasflasche unterzubringen. Später, wenn die Tankstelleninfrastruktur verbessert ist, will VW ganz auf die Benzinreserve verzichten. Auch an einer Kombination von Gas- und Elektroantrieb (CNG-Hybrid) wird gearbeitet, um die Vorteile beider Techniken zu verbinden: die E-Mobilität für den CO2-neutralen Verkehr in der Innenstadt, das Gas für die Langstrecke.

Timm Kehler, Vorstand von „Zukunft Erdgas“, dem Zusammenschluss von 110 Gasunternehmen im deutschsprachigen Raum, sieht Erdgas insgesamt als klimapolitisch unverzichtbar an. „Alles, was wir heute verfehlen, müssen wir später mit doppelter Anstrengung wiedergutmachen.“ Die Modernisierung von Heizungsanlagen und Quartierslösungen im Wohnungsbau mit gasbetriebener Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sollen helfen, schnell und kostengünstig die „Wärmewende“ zu gestalten. „Grünes Gas kann in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen, gerade in der Nahwärme“, sagt Kehler. Schon jetzt kommt Biomethan in fast jeder zweiten KWK zum Einsatz.

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