Urteil des Bundesfinanzhofes Entzug der Gemeinnützigkeit - Umweltverbände fürchten um ihre Existenz

Berlin · Immer öfter wird in der politischen Debatte mit Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht. Tatsächlich hat die CDU auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe zu überprüfen.

 Nach der Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Attac-Netzwerks durch den Bundesfinanzhof diskutieren Politik, Juristen und Bürgerinitiativen, ob es Reformbedarf gibt.

Nach der Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Attac-Netzwerks durch den Bundesfinanzhof diskutieren Politik, Juristen und Bürgerinitiativen, ob es Reformbedarf gibt.

Foto: dpa/Carsten Hoefer

Dass der globalisierungskritischen Organisation „Attac“ durch Urteil des Bundesfinanzhofes im Januar die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, hat vor allem Umweltorganisationen alarmiert. Sie sehen sich ähnlichen Angriffen ausgesetzt und fürchten um ihre Existenz. Die Grünen fordern eine Reform; das Finanzministerium arbeitet daran.

Am Dienstag gingen vier Umweltorganisationen gemeinsam vor die Presse in Berlin. Ihre Sorge formulierte der Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes, Florian Schöne: „Der Überbringer der schlechten Nachricht soll gehenkt werden.“ Nicht nur in Russland oder Ungarn seien Nicht-Regierungsorganisationen gefährdet, auch in Deutschland mehrten sich die Angriffe. „Wir haben das Gefühl: Das Imperium schlägt zurück.“

Kleinere Vereine sehen ihre Existenz ernsthaft bedroht

Tatsächlich hat die CDU auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe zu überprüfen, die vor Gerichten Fahrverbote gegen Dieselautos durchgesetzt hat. Im Bundestag beantragte die FDP Ähnliches gegenüber der Tierschutzorganisation Peta. Die Kampagnenorganisation „Campact“, die bisher per Online-Petition 170 000 Unterschriften für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts gesammelt hat, ist ins Visier vor allem der AfD geraten und steht selbst kurz vor dem Verlust der Gemeinnützigkeit. Eine solche Entscheidung komme für kleinere Vereine einem Verbot gleich, sagte Natur-Freunde-Chef Michael Müller (SPD), ein früherer Umweltstaatssekretär der Bundesregierung.

Kürzlich hatte das Finanzministerium angekündigt, eine Reform vorzubereiten. Auch im Koalitionsvertrag ist davon die Rede, dass das Gemeinnützigkeitsrecht verbessert werden soll. Bisher werden Körperschaften steuerlich begünstigt, die 25 im Gesetz genau festgelegten gemeinnützigen Zwecken dienen und dabei nicht Gewinne erwirtschaften. Tierschutz oder Heimatpflege gehören zu der Liste, auch Sport und Kultur. Nur eben nicht eine allgemeinpolitische Tätigkeit. Die aber habe bei „Attac“ überwogen, fand das Gericht. Dann, so Naturfreunde-Chef Müller, könnte man auch alle Umweltverbände angehen. „Wir alle wollen Gesellschaft verändern“. Weil sich die Debatten um Verkehr oder Energie derzeit zuspitzten, gerate man zudem immer mehr in den Fokus der politischen Auseinandersetzung, sagte Müller.

Die Grünen hatten schon in der letzten Legislaturperiode eine Klärung angemahnt. Ihre finanzpolitische Sprecherin Lisa Paus erneuerte gegenüber unserer Redaktion die Forderung, den Organisationen grundsätzlich auch politische Äußerungen zu erlauben. Das gelte im Rahmen des Grundgesetzes dann auch für rechte gemeinnützige Vereine, sagte Paus. Zudem müsse die Liste der förderungswürdigen Zwecke erweitert werden, unter anderem um Freifunk-Initiativen, Engagement für Menschenrechte, gegen Diskriminierung oder für Steuergerechtigkeit. Paus: „Das Gemeinnützigkeitsrecht ist veraltet, widerprüchlich und gehört dringend modernisiert“. Dass die Einstufung als gemeinnützig höchst willkürlich ist, zeigt ein Test, den 2018 eine „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ mit 400 Finanzämtern durchgeführt hatte.

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