Bundesgerichtshof verhandelt über Mietrecht Eigenbedarf im Mietrecht – oft eine Schicksalsfrage

Karlsruhe · Bei Eigenbedarf hat der Mieter meist wenig Chancen. Es sei denn, es ist ein Härtefall. Muss eine demente Berliner Seniorin für eine junge Familie die Wohnung räumen? Der Bundesgerichtshof muss entscheiden.

 Um Eigenbedarfskündigungen wird vor Gericht häufig erbittert gestritten. Foto: dpa

Um Eigenbedarfskündigungen wird vor Gericht häufig erbittert gestritten. Foto: dpa

Foto: picture-alliance/ gms/Jens_Schierenbeck

Ein Paar wohnt in einer Zweizimmerwohnung. Es kommt Nachwuchs, mit zwei Kindern wird es eng. Die junge Familie will in die vor kurzem gekaufte 73 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung in Berlin ziehen. Doch da wohnt eine 80-Jährige. Seit Jahrzehnten. Ihr wurde Demenz attestiert. Sie will nicht raus und wehrt sich gegen die Eigenbedarfskündigung. Wer braucht dringender die Wohnung? Darüber verhandelte am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH). Eine Entscheidung will das höchste Zivilgericht am 22. Mai verkünden.

Aus Sicht der Vorinstanz, des Landgerichts Berlin, muss die alte Dame die Wohnung nicht räumen. Die Seniorin, die dort mit zwei über 50 Jahre alten Söhnen lebt, fände sich woanders vielleicht nicht mehr zurecht. Außerdem ist bezahlbarer Ersatz in Berlin rar. Das Berliner Gericht sieht einen Härtefall. Mit der Revision vor dem BGH will der Vermieter – der Familienvater  – nun die Räumung durchsetzen.

Der zweite, ebenfalls vor dem BGH verhandelte Fall spielt in einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt. Dort wehren sich zwei Mieter gegen den Rausschmiss aus einer Doppelhaushälfte. Die Eigentümerin  will mit ihrem Lebensgefährten einziehen – ursprünglich, um die pflegebedürftige Großmutter in der Nähe besser zu unterstützen. Inzwischen ist die Oma tot. Die Mieter, die seit 2006 mit zwei Verwandten in dem Haus wohnen, sehen den Eigenbedarf vorgeschoben. Auch halten sie einen Umzug aufgrund schwerer Erkrankungen für nicht zumutbar. Das Landgericht Halle hält den Umzug dennoch für zumutbar. Dagegen haben die Mieter Revision eingelegt.

Zwei Fälle, die der BGH nun zum Anlass nimmt, eine gesetzliche Regelung unter die Lupe zu nehmen: die Härtefall-Klausel bei Eigenbedarfskündigungen. Nach § 574 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Mieter vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Kündigung für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde. Doch wann ist das der Fall? Das wird der BGH Ende Mai entscheiden. „Es gibt auch 80-jährige Marathonläufer“, so die Vorsitzende Richterin Karin Milger am Mittwoche bei der mündlichen BGH-Verhandlung. Aber, so betont sie, es gibt ebenso Menschen, denen es schon mit Anfang 60 schlecht geht.

Mieterbund fordert neue gesetzliche Regelung

Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, fordert mehr als nur gerichtliche Einzelfallentscheidungen, sondern ein Eingreifen des Gesetzgebers bei den Eigenbedarfsregeln (zu diesen Regeln siehe auch den Artikel „Vermieter will Wohnung für sich - die Regeln“). Im ZDF sagte er, der Eigenbedarfsparagraf des Bürgerlichen Gesetzbuchs müsse enger gefasst werden. Der Kreis Berechtigten, zu dessen Gunsten Eigenbedarf angemeldet werden kann, müsse eingeschränkt werden. Und ein Eigenbedarfsgrund solle nur dann anerkannt werden, wenn der Vermieter die Wohnung für sich oder nahe Angehörige dauerhaft zum Lebensmittelpunkt machen wolle. Wenn die Wohnung als Zweit- oder Ferienwohnung genutzt werden oder lediglich von einem Au pair Mädchen genutzt werden soll, öffne das dem Missbrauch Tür und Tor.

Der Wohnungseigentümerverband Haus und Grund hingegen lehnt Gesetzesänderungen beim Eigenbedarf ab. Präsident Kai Warnecke betont, es sei nicht möglich, jeden Einzelfall per Gesetz zu regeln. Im Streitfall müssten die Gerichte die Interessen von Vermieter und Mieter sorgsam abwägen.

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