Die Keimzelle von Quelle lebt

Mitten in der Insolvenz wird das Kaufhaus Schickedanz wiedereröffnet – das „Lädle“ von Grete Schickedanz.

Hersbruck. Das Kaufhaus Schickedanz ist wieder da. Mitten in der Quelle-Krise ist das Kaufhaus, die Keimzelle des Versandhauskonzerns, am Donnerstag wiedereröffnet worden. Mit T-Shirts, Bademänteln und Wäscheständern beladen stehen die Menschen im fränkischen Hersbruck in langen Schlangen geduldig vor den Kassen - und freuen sich. "Das hat gefehlt", erzählt eine Kundin. "Man ist ja die Quelle gewohnt, wir sind schließlich mit ihr aufgewachsen." Als das Haus, das die Basis für den Aufschwung des heute insolventen Versandhändlers war, vor drei Monaten geschlossen wurde, habe das die Stadt tief getroffen.

Den Hersbruckern geht es aber nicht nur um bessere Einkaufsmöglichkeiten - das traditionsreiche Kaufhaus selbst liegt ihnen am Herzen. Schon morgens um neun warten sie darauf, dass endlich das blaue Band vor dem Eingang durchgeschnitten wird. Als der Ehemann der in der Stadt lebenden Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz genau jenen goldenen Schlüssel übergibt, den früher Grete Schickedanz jedem neuen Geschäftsführer des Hauses persönlich überreichte, brandet Beifall auf. Eine halbe Stunde später ist das zweistöckige Kaufhaus mit rund 1000 Quadratmetern gut gefüllt.

Und alle, die man fragt, wissen um die Geschichte des ansonsten unspektakulären Regionalkaufhauses. 1946 gründete Grete Schickedanz in dem mittelfränkischen Städtchen östlich von Nürnberg das "Lädle" - ihr Mann Gustav durfte die von ihm gegründete Firma Quelle zunächst nicht weiterbetreiben, weil ihn die Amerikaner als Nazi-Unternehmer ansahen. In den 50er Jahren zog das Kaufhaus Schickedanz dann vis-à-vis des Rathauses auf den Oberen Markt.

Jahrelang planten die Quelle-Manager den Ausbau des Hauses zu pompösen "Schickedanz-Arkaden". Doch mit der Krise des Konzerns wurden nicht nur die Pläne auf Eis gelegt, im April wurde das ganze Kaufhaus geschlossen. Nun hat der ehemalige Quelle-Manager Harald Herbrig das Kaufhaus von der Schickedanz-Familie gepachtet.

Er hat vor allem ältere Kundschaft im Blick. "Wir wollen ein Regionalkaufhaus, das den täglichen Bedarf deckt und kein Weltstadtkaufhaus", sagt Herbrig. Wichtig sei ihm deshalb auch das Sortiment, das auf die ältere Bevölkerung zugeschnitten sein müsse. Er setze auf die gängigen Marken, die der Kunde "so beim Bummeln mitnehme". Auf rund 1000 Quadratmetern werden Textilien, Haushaltswaren und Heimtextilien angeboten. Trotz aller Turbulenzen sei klar gewesen, dass das Kaufhaus den Namen "Schickedanz" behalte. Der Name sei in Hersbruck schließlich etabliert, erklärte Herbrig.

Vor wenigen Tagen hatte sich Madeleine Schickedanz mit den Mitarbeitern getroffen. "Das Geschäft ist ihr sehr wichtig, ich glaube, sie hängt daran", schildert Verkäuferin Inge Bauer. Ihr selbst geht es nicht anders - 1965 begann sie im Kaufhaus Schickedanz ihre Lehre, stieg nach der Familienphase wieder ein und verzichtete im April auf die Abfindung, um beim Neustart dabei zu sein. "Man kennt ja seine Kunden, das macht Spaß, wenn man die wieder hier hereinkommen sieht."

Nur das mit dem Gehalt, das könne sich die Belegschaft - die schon vor der Schließung in dem traditionsreichem Haus gearbeitet hat - noch nicht so recht vorstellen. Der Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld soll nämlich dadurch ausgeglichen werden, dass die Mitarbeiter an der Hälfte des Mehrgewinns beteiligt werden.

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