Deutschland fordert zuviel - Kein Durchbruch bei Euro-Bankenaufsicht

Brüssel (dpa) - Die EU hat bei ihrem Prestigeprojekt der europäischen Bankenaufsicht einen Rückschlag erlitten. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten schafften am Dienstag in Brüssel keinen Durchbruch bei den noch strittigen Fragen.

Vor allem Deutschland verhinderte nach Angaben von EU-Diplomaten einen Kompromiss. Berlin traf mit seinen umfassenden Forderungen auf breiten Widerstand - auch beim Partner Frankreich. Bedenken meldeten auch Schweden und Großbritannien an. Einen neuen Anlauf wollen die Minister bei einem Sondertreffen kommenden Mittwoch (12. Dezember) unmittelbar vor dem EU-Gipfel machen.

Finden die Minister keine Lösung, müssten die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel (13./14. Dezember) entscheiden. „Wir sind noch nicht am Ende des Weges“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erwartet „noch schwierige Debatten“. Die Zeit drängt, weil die Rechtsgrundlage für die neue „Superaufsicht“ bis Jahresende stehen soll. Die Minister versicherten, den Termin einzuhalten. Nach dem Ministerrat muss auch noch das Europaparlament beraten.

Die Bankenaufsicht soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden und mit strengen, einheitlichen Regeln neues Vertrauen in die Euro-Zone schaffen. Sie ist Voraussetzung dafür, dass marode Banken künftig direkt Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können. Sie ist nur für Geldhäuser aus den Euro-Ländern verpflichtend, doch alle EU-Mitglieder müssen den Vorschlägen einstimmig zustimmen.

Insbesondere die Südländer drücken deshalb aufs Tempo, während Deutschland und Österreich besonnene Entscheidung fordern. „Es ist wichtig, dass Qualität vor Zeitplan geht“, betonte Minister Schäuble. Die Erwartungen, dass danach der ESM sofort die Banken direkt unterstützen werde, seien „zum Teil auch ein wenig überzogen.“ Ein Empfängerland müsse dafür einen Antrag stellen und sich strengen Auflagen unterwerfen.

Zwischen Berlin und Paris gibt es deutliche Meinungsverschiedenheiten. Deutschland wehrt sich dagegen, dass die neue Aufsicht alle 6000 Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern kontrollieren soll. Berlin will Sparkassen und Volksbanken in nationaler Aufsicht belassen. „Niemand glaubt, dass eine europäische Institution fähig sein wird, 6000 Banken in Europa zu überwachen“, sagte Schäuble. Er sei keine Lösung akzeptabel, bei der der EZB-Rat in Aufsichtsfragen das letzte Wort habe.

Paris sieht die EZB dagegen in der zentralen Rolle und will ebenso wie andere EU-Länder keine Ausnahmen zulassen. „Alle Banken müssen umfasst werden“, betonte der französische Finanzminister Pierre Moscovici und sprach von „unterschiedlichen Auffassungen“ mit Deutschland. Die Mehrheit sehe dies ebenso: „Frankreich steht im Herzen des Kompromisses.“

Schweden, das sich als Nicht-Euro-Land an der Aufsicht beteiligen will, hat ebenfalls Einwände. Widerstand gegen eine europaweite Bankenaufsicht kommt auch von Großbritannien mit dem Finanzplatz London.

Ungeklärt ist auch noch, wie innerhalb der Europäischen Zentralbank der neue Bereich von geldpolitischen Entscheidungen getrennt wird. Schäuble pochte auf eine „chinesische Mauer“ zwischen beiden Bereichen. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter bemängelte: „Die Frage der Brandmauer zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht ist noch nicht zufriedenstellend gelöst.“

Auch die rechtliche Grundlage, auf der die Bankenaufsicht stehen soll, steht noch nicht fest. Im Gespräch ist Artikel 127 Absatz 6 des Lissaboner Vertrages, allerdings prüfen Juristen dies derzeit noch. Die von manchen geforderte Änderung des EU-Vertrages wird breit abgelehnt. „Eine Vertragsänderung würde nur Zeit verlieren“, sagte Moscovici. Schäuble brachte eine begrenzte Vertragsänderung ins Spiel. „Wir können die Bankenaufsicht nicht einer unabhängigen Institution übertragen. In dem Moment, in dem EZB die Bankenaufsicht hat, kann sie nicht mehr unabhängig sein“, sagte Schäuble.

Juristische Probleme bereitet auch noch die Frage, unter welchen Bedingungen Nicht-Euro-Staaten sich der EZB-Aufsicht unterwerfen können. Denn die Zentralbank ist per se nur für die 17 Euro-Länder zuständig. EU-Staaten ohne Euro-Währung hätten nach derzeitiger Lage keine gleichberechtigte Mitsprache. Schwedens Finanzminister Anders Borg forderte: „Nicht-Euro-Länder sollten bei Entscheidungen gleichberechtigt sein.“ Großbritannien pochte darauf, EU-Staaten ohne Euro-Währung dürften nicht nur „Beobachter“ sein.

Die Finanzminister beschlossen auch, Griechenland zwei zusätzliche Jahre zum Abbau seiner Schulden zu gewähren. Athen muss erst 2016 statt 2014 sein Haushaltsdefizit wieder unter die Maastricht-Marke von drei Prozent drücken. Dies hatten die Euro-Finanzminister bereits beschlossen, die 27 EU-Kassenhüter bestätigten die Entscheidung am Dienstag nur noch formal.

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