Energiewende Der Ökostrom boomt und die Windkraftbranche leidet

Berlin/Düsseldorf · Der Anteil Erneuerbarer am Stromverbrauch hat einen neuen Rekordwert erreicht. Aber der Ausbau der Windenergie lahmt.

 Die Windenergiebranche beklagt, dass zu wenig neue Anlagen genehmigt werden und ans Netz gehen.

Die Windenergiebranche beklagt, dass zu wenig neue Anlagen genehmigt werden und ans Netz gehen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

 Deutschland hat beim Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch einen großen Schritt nach vorne gemacht. Gleichzeitig  befürchtet die Windenergiebranche dramatische Arbeitsplatzverluste: Der Tag, an dem der Bundestag erstmals über das Klimapaket debattierte, wurde von gegensätzlichen Meldungen zum Ökostrom bestimmt.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres stieg der Ökostrom-Anteil auf einen Rekordwert. Erneuerbare Energien deckten 42,9 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland. Laut dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist das ein Plus von fast fünf Prozentpunkten zum Vorjahreszeitraum. Damit lagen die Erneuerbaren fast 50 Prozent über der Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle. Die stärkste Erneuerbaren-Quelle war Wind an Land vor  der Photovoltaik.

27 Prozent der Arbeitsplätze könnten bis 2030 verloren gehen

Dennoch sieht die Windbranche schwarz:  Gebe es weiter Genehmigungsprobleme und weniger neue Anlagen, würden 27 Prozent der Arbeitsplätze bis 2030 verloren gehen. Das sagt eine aktuelle Analyse der Beratungsfirma Prognos für den Fachverband VDM­­A Power Systems. „Aufgrund fehlender Flächen und immer restriktiverer Abstandsregelungen rutschen wir in eine regelrechte Rezession“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer.

In der Onshore (Binnenland)-­Windenergiebranche sind derzeit rund 64 000 Menschen beschäftigt. 36 000 Arbeitsplätze wurden seit 2017 bereits abgebaut. Zum Vergleich: In der Braunkohle arbeiten bundesweit gut 20 000 Personen. Nach einer Analyse der Fachagentur Windenergie an Land gingen von Januar bis September 2019 nur 148 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 507 Megawatt (MW) ans Netz. Dieser Wert sei in den vergangenen fünf Jahren jeweils schon im ersten Quartal erreicht worden.

Der massive Einbruch betreffe alle Bundesländer, wobei NRW zu den drei Ländern mit den höchsten neuen Genehmigungen zähle, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) dieser Zeitung. Ursachen für den Rückgang seien schwere Fehler beim Ausschreibungsdesign im Erneuerbare-Energien-Gesetz und überdurchschnittlich viele Klagen von Bürgerinitiativen sowie Umwelt- und Naturschutzverbänden. Allein in NRW seien 58 Windanlagen mit einer Leistung von 193 MW beklagt. „Das sind 20 Prozent aller beklagten Anlagen in Deutschland.“

„Bundes- und Landesregierung schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu“, klagte Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW. Er macht  auch langwierige Genehmigungsverfahren verantwortlich. „Gleichzeitig werden auf der Landesebene viele potenzielle Flächen durch das weitestgehende Wind-im-Wald-Verbot und pauschale Abstandsregelungen unzugänglich gemacht.“ Doch damit werde keinesfalls ein Mehr an Akzeptanz erreicht. „Das zeigen auch Studien.“

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